Zika-Virus und Mikrozephalie:Die Zweifel sind ausgeräumt

Wieso sich Seuchenschützer und Virologen so sicher sind, dass der Zika-Erreger für Fehlbildungen bei Neugeborenen verantwortlich ist.

Von Berit Uhlmann

Die Zeit der Zweifel scheint vorbei zu sein. "Es ist nun klar, dass das ZikaVirus Mikrozephalie verursacht", sagt der Direktor der amerikanischen Seuchenschutzbehörde CDC, Tom Frieden. Bisher wurde immer nur vom Verdacht gesprochen, der Erreger könnte schwere Fehlbildungen bei Ungeborenen verursachen. Längst zirkuliert das Virus auch vor den Grenzen der USA. Mit dem wärmeren Wetter könnten Mücken es bald auch in den südlichen Bundesstaaten verbreiten. Kein Wunder, dass die Seuchenschützer der CDC die Zeit für ein deutliches Statement gekommen sehen.

Der Nachweis, den die CDC jetzt in der Fachzeitschrift New England Journal of Medicine vorlegt, beruht nicht auf neuen Befunden, sondern fußt auf einer Bewertung der bisherigen Erkenntnisse. Somit ist er - in den Worten der Forscher - kein "rauchender Colt", sondern eher eine Indiziensammlung. Hätten die Epidemiologen einen Kriminalfall zu lösen, würde man sagen, der Verdächtige war zur fraglichen Zeit am Tatort, hinterließ charakteristische Spuren und ein Zufall ist nahezu ausgeschlossen.

Die Forscher berufen sich auf Fallberichte und Studien, nach denen die Mikrozephalie stets nach demselben Muster entsteht: Die Mutter wird im ersten Schwangerschaftsdrittel mit dem Zika-Virus infiziert. Die betroffenen Babys haben alle das gleiche Erscheinungsbild. Ihre Köpfe sind deutlich kleiner als die von gesunden Neugeborenen, in ihren Hirnen finden sich Kalkablagerungen und weitere Anomalien. Gehäuft treten auch Gelenkversteifungen und überschüssige Haut auf den winzigen Schädeln auf. Dieses Symptombündel ist charakteristisch, Forscher nennen es mittlerweile "kongenitales Zika-Syndrom". Dass es sich in Brasilien rein zufällig häuft, hält die CDC für ausgeschlossen.

Plausibel ist der Zusammenhang zwischen Zika-Virus und den Schädelfehlbildungen auch aus biologischer Sicht. Von anderen Viren ist bekannt, dass sie die Hirnentwicklung von Ungeborenen beeinträchtigen können. Im Labor konnten Forscher zeigen, dass der Zika-Erreger neuronale Vorläuferzellen angreift, die sich normalerweise zur Großhirnrinde entwickeln. Mit diesen Erkenntnissen sind vier von sieben Kriterien erfüllt, die die CDC-Wissenschaftler ihrer Bewertung zugrunde legten. Der Kriterienkatalog stammt von dem Kinderarzt Thomas Shepard, er hatte ihn 1994 zur Erforschung potenziell fruchtschädigender Einflüsse entwickelt. Zwei seiner Forderungen sind bei den Zika-Fällen nicht erfüllt: Noch fehlen Erkenntnisse aus hochwertigen epidemiologischen Studien ebenso wie aus Tierexperimenten. Das dritte noch fehlende Kriterium ist bei Infektionskrankheiten nicht anwendbar.

In der Beweisführung fehlen nur noch epidemiologische Studien und Daten aus Tierversuchen

Die Erklärung der CDC kommt nicht zufällig gerade in dieser Woche. Die Republikaner sperrten sich bislang gegen die Forderung der Regierung, mehr Geld für die Bekämpfung von Zika bereitzustellen. Das Zika-Virus hat bereits 33 Staaten Lateinamerikas heimgesucht. Die Amerikaner scheinen auch nicht sonderlich von der Gefahr vor ihren Grenzen beeindruckt zu sein. Einer aktuellen Umfrage zufolge sind nur 60 Prozent der US-Bürger halbwegs über das Virus informiert. Das liegt wohl auch an der bisher sehr vorsichtigen Wortwahl der Wissenschaftler. "Die Anerkennung des Zika-Virus als Ursache der Mikrozephalie und anderer ernsthafter neurologischer Störungen würde eine deutlichere Ansprache an die Öffentlichkeit erlauben", schreibt die CDC.

Dennoch geht es hier nicht nur um Rhetorik. Mit ihrer Einschätzung stehen die US-Seuchenschützer nicht allein da. Laura Rodrigues, Epidemiologin an der London School of Hygiene and Tropical Medicine sagt: "Der Link ist nachgewiesen." Sie verweist darauf, dass die brasilianische Regierung den Zusammenhang zwischen Zika-Virus und Mikrozephalie schon Ende November für erwiesen hielt. Auch die Weltgesundheitsorganisation WHO spricht mittlerweile vom "wissenschaftlichen Konsens" in der Frage nach der Ursache der Fehlbildungen.

Ähnlich äußert sich das Berliner Robert Koch-Institut. Die bisherigen Erkenntnisse ließen den Schluss zu, dass ein kausaler Zusammenhang besteht. "Absolute Sicherheit gibt es in der Wissenschaft nicht, aber es scheint, dass die von verschiedenen Public-Health-Einrichtungen ausgesprochenen Empfehlungen wichtig und richtig waren", sagt RKI-Forscher Mirko Faber.

"Wir wissen, dass das Zika- Virus Mikrozephalie hervorruft", erklärt auch Jonas Schmidt-Chanasit vom Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin. "Wir wissen allerdings noch nicht, ob auch Co-Faktoren eine Rolle spielen und ob der Anstieg der Mikrozephalie-Fälle in Brasilien allein auf den Zika-Erreger zurückgeht." In Brasilien wurden bislang fast 7000 Verdachtsfälle auf Mikrozephalie gemeldet. Nahezu 3000 von ihnen wurden bestätigt. In Kolumbien registrierten Ärzte sieben Babys mit einem Verdacht auf das Zika-Syndrom. Die WHO rechnet damit, dass im Sommer die Zahl der betroffenen Neugeborenen in dem Land ansteigen wird.

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