Im Angebot sind: Verfaulte Zähne, eine schwarz gefärbte Lunge und ein halb abgestorbenes Bein. Seit etwa einem Monat sind Tabakfirmen in Europa verpflichtet, großflächig sogenannte Schockbilder auf neu produzierte Zigarettenpackungen zu drucken. Sie sollen Raucher vom Tabak fernhalten und Nichtraucher gar nicht erst dazu verleiten, zur Zigarette zu greifen. Im Handel sind die abschreckenden Motive zur Zeit zwar noch eher selten zu sehen; die Industrie hat ein Jahr Zeit, alte Packungen zu verkaufen.
Doch schon jetzt zeichnet sich ab, dass die Wirkung der Ekel-Fotos längst nicht so stark sein könnte, wie es sich die EU-Kommission erhofft. Laut einer Forsa-Studie für die Krankenkasse DAK, die an diesem Montag veröffentlicht wurde, sind 80 Prozent der Befragten in Deutschland skeptisch, dass Raucher damit vom Rauchen abgehalten werden können.
Auch hält es eine Mehrheit für unwahrscheinlich, dass die Schockbilder Nichtraucher davon abbringen können, mit dem Rauchen anzufangen. Trotz der vorherrschenden Skepsis finden es die meisten aber in Ordnung, dass die Tabakindustrie die teils dramatischen Folgen des Rauchens so deutlich abbilden muss: Mehr als zwei Drittel der Befragten sprachen sich für die Fotos aus, nur 28 Prozent dagegen. Die Meinungsforscher von Forsa haben für die DAK Mitte Juni etwas mehr als 1000 Personen befragt.
Genug Schockmotive für drei Jahre
Die EU gibt der Tabakindustrie genaue Kombinationen von Bildern und Texten vor. Um einen "Gewöhnungseffekt zu minimieren", wie eine Sprecherin der EU-Kommission sagt, wechseln sich die Motive nach jeweils einem Jahr ab. Denn "die Bilder werden weniger wirksam, je häufiger man sie sieht". Das hat die EU nach eigenem Bekunden an 8000 Probanden in zehn europäischen Ländern vorher getestet. Unter anderem soll erfasst worden sein, wohin der Betrachter einer Packung schaut und wie er emotional auf die Bilder reagiert.
Derzeit gibt es eine Bilderbibliothek mit drei Gruppen zu je 14 Motiven, die Datei reicht also für drei Jahre. Die Tabakhersteller müssen die jeweils für ein Jahr gültigen Motive gleichmäßig bei allen Produkten einsetzen. Die Bilder wurden nach Angaben einer Sprecherin der EU-Kommission von einer Kommunikationsagentur entwickelt, das Budget der EU für alle externen Verträge im Zusammenhang mit den Fotos habe etwa 600 000 Euro betragen. Welche Agentur die Schockfotos gemacht hat und ob auf den Bildern echte Patienten zu sehen sind, wollte die Kommission auf Nachfrage der Süddeutschen Zeitung nicht kommentieren. Sie teilte lediglich mit, es sei "möglich, dass einzelne Bilder nachbearbeitet wurden".
Die Tabakindustrie wehrte sich lange Zeit vergeblich gegen die neuen Vorgaben. Branchenführer Philip Morris sowie British American Tobacco gingen gerichtlich gegen die Tabakproduktrichtlinie der EU vor und unterlagen vor dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg. Die Richtlinie stelle "den stärksten Eingriff in die Branche seit ihrem Bestehen dar", sagte eine Sprecherin des japanischen Tabakkonzerns JTI. Bei Reemtsma in Hamburg geht man davon aus, dass Raucher ohnehin über die Risiken Bescheid wissen. Abschreckung biete daher "keinen Mehrwert im Sinne von Information und Prävention bei Konsumenten", so eine Sprecherin.
Für den DAK-Suchtexperten Ralf Kremer sind Schockbilder nur eine von mehreren Arten der Prävention. "Wir setzen auf Information und Aufklärung, die schon in den Schulen beginnt", sagte er. Einen starken Einfluss habe auch, ob Eltern oder Freunde rauchten. Die Bürger, auch das kam bei der Forsa-Umfrage heraus, messen der Aufklärungsarbeit an Schulen die größte Bedeutung bei, um Menschen vom Rauchen abzuhalten. Auch einen besseren Schutz vor den Gefahren des Passivrauchens sowie ein totales Rauchverbot in öffentlichen Gebäuden halten die meisten für wichtig.