Süddeutsche Zeitung

Wissenschaftspolitik in den USA:"Schädlicher als direkte Zensur"

Die Wörter "Fötus", "Transgender" und "wissenschaftsbasiert" sollen gemieden werden: Neue Sprachregelungen der US-Seuchenschutzbehörde CDC empören die Fachwelt.

Von Berit Uhlmann

Kurz nach ihrer Ernennung zur neuen Chefin der US-Seuchenschutzbehörde CDC erklärte Brenda Fitzgerald mit Nachdruck, ihre Entscheidungen auf Basis der Wissenschaft zu treffen. Das wäre keiner weiteren Erwähnung wert, hätte sie dabei nicht ein Wort verwendet, das ihren Geldgebern nun offenbar missfällt: "wissenschaftsbasiert". Es gehört zu insgesamt sieben Begriffen, die die CDC nach Medienberichten künftig meiden soll - zumindest wohl in all jenen Dokumenten, die Teil des Budgetantrags für 2019 sind.

Ebenfalls auf der Liste stehen nach Angaben der Washington Post"evidenzbasiert", "Transgender", "verwundbar", "Fötus", "Diversität" und "Anspruchsberechtigung". Die Zeitung berief sich auf einen Teilnehmer eines Treffens hochrangiger CDC-Mitarbeiter, die mit der Haushaltsplanung der Behörde befasst sind.

Nach dessen Darstellungen wurden den Angestellten teilweise alternative Formulierungen vorgeschlagen. Statt "wissenschaftsbasiert" sollte es demnach heißen: "Die CDC gründet ihre Empfehlungen auf die Wissenschaft unter Berücksichtigung öffentlicher Standards und Wünsche."

Welche Wünsche dies sein könnten, blieb offen. Der Bericht aber rief am Samstag und Sonntag Empörung in den sozialen Netzwerken hervor. Offizielle Stellen bemühten sich, die Aufregung noch im Laufe des Wochenendes zu dämpfen. "Ich möchte Ihnen versichern, dass es keine verbotenen Wörter in der CDC gibt", sagte die Direktorin Fitzgerald im Kurznachrichtendienst Twitter: "Wissenschaft ist und wird auch künftig die Quelle unserer Arbeit sein". Sie dementierte jedoch nicht, dass Sprachregelungen vorgegeben oder zumindest diskutiert worden sind.

Das US-Gesundheitsministerium nannte den Pressebericht eine "Fehldarstellung der Diskussion um die Budget-Formulierungen", gab aber keine weiteren Einzelheiten zu der Debatte bekannt. Namentlich nicht genannte Beamte legten in der New York Times eine Lesart vor, wonach es der CDC bei alldem eher um Sprachkosmetik gehe, mit deren Hilfe jene Republikaner wohlwollend gestimmt werden sollen, die über die künftigen Finanzen entscheiden.

Doch selbst dieser Vorgang wäre für viele Beobachter schon ein Grund zur Besorgnis. "Auch wenn es nur um das Budget zu gehen scheint, ist das Signal an die Behörde klar: Meide diese Worte", sagte Ashish Jha, Direktor des Harvard Global Health Institute: "Das ist schädlicher als jede direkte Zensur." Zumal die Stimmung in vielen US-Bundesbehörden ohnehin angespannt ist. Sandro Galea, Dekan der School of Public Health an der Universität Boston, sagte: "Jeder im Sektor der öffentlichen Gesundheit sieht eine langsam wachsende Ängstlichkeit bei Kollegen, deren Budgets von der Bundesregierung abhängig sind".

Auch die CDC steht vor drastischen Kürzungen im Jahr 2018. Ihr bisheriger Jahresetat von 7,2 Milliarden Dollar soll um 1,2 Milliarden beschnitten werden. Die in Atlanta beheimatete CDC ist nicht nur die wichtigste Gesundheitsbehörde ihres Landes. Sie ist zugleich eine der einflussreichsten Institutionen der globalen Gesundheit. Sie beschäftigt etwa 12 000 Mitarbeiter, ein Teil von ihnen ist in mehr als 120 weiteren Ländern eingesetzt. Bisher gab die Behörde jährlich ungefähr 2,6 Milliarden Dollar für die weltweite Seuchenkontrolle aus.

Die aktuelle Aufregung vollzieht sich vor dem Hintergrund eines zunehmend wissenschaftsfeindlichen Klimas in den USA. Seit Präsident Donald Trump im Amt ist, mussten einige staatliche Institutionen Informationen einschränken oder gleich ganz vom Netz nehmen. Dazu gehören Daten zum Klimawandel und zur Homosexualität. Die gemeinnützige Wissenschaftsorganisation AAAS reagierte auf die neuen Enthüllungen mit Spott: "Zu den verbotenen Begriffen für Budgetdokumente der CDC gehören 'auf wissenschaftlicher Grundlage' oder 'auf der Grundlage von Beweisen'. Hier ein Wort, das noch erlaubt ist: lächerlich".

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Quelle:
SZ vom 19.12.2017
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