Covid-19:WHO korrigiert Übersterblichkeit nach unten

Covid-19: Särge im Kühlraum eines Krematoriums in Dresden im Dezember 2020.

Särge im Kühlraum eines Krematoriums in Dresden im Dezember 2020.

(Foto: Sebastian Kahnert/dpa)

In den ersten zwei Jahren der Corona-Pandemie starben mehr Menschen als im Mittel der Vorjahre. Eine fehlerhafte Berechnung der Weltgesundheitsorganisation überschätzte das Problem für Deutschland jedoch deutlich. Nun gibt es die neuen Zahlen.

Von Jakob Wetzel

Die Zahl hat für Aufsehen und für viel Kritik gesorgt: In Deutschland seien in den Jahren 2020 und 2021 knapp 200 000 Menschen mehr gestorben, als ohne die Corona-Pandemie zu erwarten gewesen wäre, meldete Anfang Mai die Weltgesundheitsorganisation (WHO). Die Pandemie hätte damit etwa doppelt so viele Todesopfer gefordert, wie in Deutschland amtlich erfasst wurden. Doch die WHO hatte sich verschätzt. Nun legt sie neue Zahlen vor - und wie die Zeitschrift Nature berichtet, korrigiert sie darin ihre Angaben zur Übersterblichkeit in Deutschland deutlich nach unten.

Die Übersterblichkeit lag demnach 2020 und 2021 bei etwa 122 000 Fällen und damit um 37 Prozent niedriger als zunächst angegeben. Der ursprünglichen Schätzung zufolge hatte die jährliche Todesrate für die beiden Pandemiejahre in Deutschland bei 116 Toten pro 100 000 Einwohner gelegen. In der neuen Schätzung beziffern die Statistiker diese Todesrate nur noch mit 72,7.

Mit ihrer neuen Schätzung nähert sich die WHO derjenigen Übersterblichkeit an, die der Economist für Deutschland berechnet hat (rund 122 000 Tote, allerdings von 2020 bis Mai 2022). Die von der WHO ermittelte Zahl ist allerdings immer noch höher als in den Berechnungen des Statistischen Bundesamts. Dieses hatte für 2020 und 2021 eine Übersterblichkeit von zusammengerechnet etwa 75 000 Fällen ermittelt.

Die exakte Zahl von Covid-Toten weltweit lässt sich nicht genau erfassen, weil offizielle Zahlen nicht immer und überall zuverlässig erhoben werden. Deshalb hatte die WHO in ihrer Analyse für insgesamt 194 Staaten die Zahl aller Gestorbenen mit der Zahl der Toten verglichen, die auf Grundlage der Entwicklung in den vergangenen Jahren ohne Pandemie zu erwarten gewesen wäre. Die WHO-Fachleute waren zu dem Ergebnis gekommen, dass es weltweit eine Übersterblichkeit von zwischen 13,3 Millionen und 16,6 Millionen Toten gegeben habe, mehr als zweieinhalb Mal so viele, wie offiziell erfasst wurden.

Auch für Schweden korrigiert die WHO die geschätzte Zahl der Corona-Toten - nach oben

Die WHO verwendete bei ihrer Schätzung jedoch eine Methode, die sich leicht von kurzfristigen Schwankungen irritieren lässt. So leitete das statistische Modell aus einem kleinen Sinken der Sterblichkeit in Deutschland im Jahr 2019 ab, dass die Sterbezahlen ohne Pandemie auch 2020 und 2021 gesunken wären. Tatsächlich steigen die Sterbezahlen in Deutschland aber seit Jahren an, weil die deutsche Gesellschaft immer älter wird. Noch dazu passte die WHO offenbar Sterbedaten der deutschen Behörden wegen mutmaßlicher Unvollständigkeit nach oben an. Aus beiden Gründen kam die WHO bei der Übersterblichkeit in Deutschland auf ein zu hohes Ergebnis.

Aus ähnlichen Gründen hat sich die WHO auch bei anderen Ländern verschätzt, etwa im Fall von Schweden. Für das skandinavische Land, das wegen seines weniger restriktiven Kurses von Kritikern der deutschen Corona-Maßnahmen häufig als Vorbild genannt wird, kam das Modell der WHO zunächst auf eine zu niedrige Übersterblichkeit. Die Statistiker der WHO haben diese nun um 19 Prozent nach oben korrigiert. Die Todesrate in Schweden lag der neuen Schätzung zufolge bei 66,1 Toten pro 100 000 Einwohner im Jahr. Zuvor war die Todesrate mit 55,8 beziffert worden.

Die WHO kündigte an, die Modelle und Berechnungen generell zu überprüfen. Der Statistiker Jon Wakefield von der University of Washington räumte im Gespräch mit Nature Fehler ein und sagte: "Wir gehen sehr transparent vor und sind bereit, begründete Kritik aufzugreifen."

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