WHO bewertet Emissionen neu:Dieselabgase sind krebserregend

Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat ihre Warnung vor Dieselabgasen deutlich verschärft. Bislang wurde ein Krebsrisiko lediglich nicht ausgeschlossen, jetzt ist klar: Dieselabgase sind krebserregend. Experten schätzen die Zahl der jährlichen Todesfälle, die auf ihre Abgase zurückgehen, allein Deutschland auf deutlich mehr als 10.000.

Markus C. Schulte von Drach

Dieselabgase sind gefährlich - das ist seit Jahren bekannt. Doch die Weltgesundheitsorganisation WHO warnt nun, dass die Abgase von Dieselmotoren nicht nur "potenziell krebserregend" seien, wie es seit 1988 hieß. Die WHO stuft sie nun als "für Menschen krebserregend" ein. Damit gehören sie in die Gruppe 1 der Gefahrenstoffe.

Wie die Organisation berichtet, geht die neue Einschätzung auf die Arbeit einer ihrer Expertengruppen zurück, die International Agency for Research on Cancer (IARC). Eine Woche lang hatten die Fachleute in Lyon, Frankreich, getagt. Am Ende ihrer Beratungen stand der Entschluss, Dieselabgase aus der Gruppe 2A (wahrscheinlich krebserregend) herauszunehmen und als noch gefährlicher einzustufen.

Besonders starken Eindruck hatte eine große epidemiologische Studie des amerikanischen National Cancer Institute und des National Institute for Occupational Safety and Health gemacht, die im März 2012 veröffentlicht wurde. Doch schon zuvor waren viele Experten und Umweltgruppen von der großen Gefahr überzeugt, die von den Abgasen ausgeht.

So hatte ein Gutachten des Deutschen Forschungszentrums für Gesundheit und Umwelt (GSF) für das Umweltbundesamt ergeben, dass es allein in Deutschland jährlich zu etwa 10.000 bis 19.000 "vorzeitigen" Todesfällen aufgrund von Feinstaub- und Stickoxidemissionen aus Dieselfahrzeugen kommt.

Die Arbeitsgruppe der WHO kam aufgrund der vorliegenden Studien nun zu dem Schluss, es gebe "ausreichende Hinweise" darauf, dass die Abgase für Menschen krebserregend seien. Das gelte für Lungenkrebs. Für die Auslösung von Blasenkrebs sprächen die Hinweise nur "eingeschränkt", trotzdem gehen die Experten von einem erhöhten Risiko aus.

Für Benzin gilt der WHO zufolge weiterhin die Einschätzung "möglicherweise krebserregend" (Gruppe 2B).

Die unabhängigen Experten, so betont die WHO, hätten die wissenschaftlichen Studien sehr genau analysiert. Deshalb verfügten Politiker nun über eine "vertrauenswürdige Grundlage", um Richtlinien zum Schutz der Menschen und der Umwelt aufzustellen.

Zwar hätten die wichtigsten Untersuchungen sich auf Arbeiter konzentriert, die besonders stark Dieselabgasen ausgesetzt sind, erklärte Kurt Straif, Chef des IARC. Aber man habe anhand von anderen krebserregenden Stoffen gelernt, dass diese Studien auf Risiken für die Allgemeinbevölkerung hinweisen. "Deshalb ist es notwendig, Maßnahmen zu treffen, die die Belastung sowohl von Arbeitern als auch der Bevölkerung verringern", fordert Straif.

Große Nachfrage nach Dieselfahrzeugen

In Europa, insbesondere auch in Deutschland, war die Nachfrage nach Dieselfahrzeugen in der Vergangenheit deutlich gestiegen. Hier fahren nicht nur Lastkraftwagen, sondern auch etliche Privatautos mit Dieselkraftstoff. Ihr Anteil an den neu zugelassenen Pkws lag laut Kraftfahrt-Bundesamt 2011 bei mehr als 47 Prozent, seit 2001 schwankt der Wert zwischen etwa 30 und fast 48 Prozent.

Obwohl in den vergangenen zwanzig Jahren vor allem in Europa und Nordamerika viel getan wurde, die Emissionen aus den einzelnen Fahrzeugen zu reduzieren, führt diese Zunahme dazu, dass der Ausstoß gefährlicher Rußpartikel insgesamt noch immer deutlich steigt. Schätzungen des Umweltbundesamtes etwa sprechen von einer Erhöhung um den Faktor 2,3 bis 2020.

Bis 2010 wurde an verkehrsnahen Messstellen trotz der Senkung der Abgasgrenzwerte keine Verringerung der Feinstaubkonzentrationen festgestellt. Der Anteil der besonders gefährlichen ultrafeinen Rußpartikel aus Dieselfahrzeugen hatte sogar zugenommen. Wie viel die vom EU-Parlament beschlossene strengere Euro-5-Abgasnorm für Pkw, die seit 2011 gilt, und die Euro-6-Norm für Lkw (ab 2013 wirksam) bringen, muss sich noch zeigen.

Die WHO empfiehlt nun weitere Veränderungen sowohl in Bezug auf Dieseltreibstoffe selbst - etwa eine deutliche Verringerung des Schwefelanteils - als auch an den Motoren. Diese sollten den Kraftstoff effizienter verbrennen und weniger Abgase ausstoßen. Es könne allerdings Jahre dauern, bis die derzeit verwendeten Treibstoffe und Fahrzeuge ersetzt sind - "insbesondere in den weniger entwickelten Ländern, wo die Vorgaben gegenwärtig weniger streng sind".

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