In Deutschland breitet sich eine weitere neue Viruskrankheit aus: Mindestens zehn Menschen in Berlin und Leipzig haben sich mit dem West-Nil-Virus infiziert, teilte das Robert-Koch-Institut (RKI) mit. Der Erreger stammt ursprünglich aus Afrika, er kann neben Menschen auch Vögel und Pferde infizieren und wird von Stechmücken übertragen. Ende 2019 steckte sich erstmals ein Patient in Deutschland mit dem Erreger an, der vermutlich mit Zugvögeln aus Afrika nach Deutschland gekommen ist. Nun zeigt sich, dass das Virus hierzulande überwintert hat.
Bei besonders warmen Temperaturen, wie sie zur Zeit herrschen, könne sich der biologische Zyklus des Virus in der Mücke schließen, sodass es zur Übertragung auf den Menschen kommen könne, sagte Christoph Lübbert. Der Leiter der Infektiologie und Tropenmedizin am Universitätsklinikum Leipzig hat in den vergangen drei Wochen sieben Patienten betreut. "Ein älterer Patient liegt noch immer komatös und künstlich beatmet auf der Intensivstation", so Lübbert. Zwei weitere Patienten, die aufgrund einer Entzündung von Gehirn und Hirnhaut ebenfalls intensivpflichtig waren, gehe es mittlerweile wieder besser.
Die Krankheit verläuft allerdings nur selten so schwer. 80 Prozent der Infizierten merken nichts von der Infektion, etwa 20 Prozent erleben Fieber, Hautausschlag, Abgeschlagenheit oder Muskelschmerzen. Bei einem Prozent der Infizierten aber greift das Virus das zentrale Nervensystem an, sodass die Patienten im Krankenhaus behandelt werden müssen. Lähmungen können dann zurückbleiben, manche Patienten sterben auch. "Bei großer Hitze werde ein Mückenschutz deshalb immer wichtiger, gerade wenn man älter ist und Vorerkrankungen hat", sagt Lübbert. Denn einen West-Nil-Impfstoff gibt es bislang nur für Pferde. Das müsse sich dringend ändern, sagt Lübbert. Mit der steigenden Zahl der Fälle in Europa werde die Impfstoffforschung für die Pharmaindustrie jetzt womöglich interessanter.
Mehr als ein Dutzend Verdachtsfälle werden derzeit noch im West-Nil-Referenzlabor am Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin in Hamburg untersucht. Hotspots seien derzeit Berlin und Leipzig, sagte dessen Leiter, Jonas Schmidt-Chanasit: "Solange es so warm bleibt, besteht weiterhin die Gefahr für humane Infektionen in den betroffenen Regionen, hauptsächlich in Ostdeutschland." Bei Tieren sei aber schon eine Ausbreitung der Infektion nach Südwesten zu verzeichnen.