Weltweite Studie:124 Millionen Kinder sind fettleibig

  • Einer Studie der WHO zufolge nimmt extremes Übergewicht bei Kindern dramatisch zu. Mehr als 120 Millionen Kinder weltweit sind betroffen.
  • Die Zahl liegt zehnmal höher als noch vor 40 Jahren.
  • Zugleich sind fast 200 Millionen Heranwachsende untergewichtig.

Von Berit Uhlmann

Weltweit sind unglaubliche 124 Millionen Kinder krankhaft übergewichtig. Damit hat sich die Zahl der betroffenen Minderjährigen in den vergangenen vier Jahrzehnten mehr als verzehnfacht, wie eine Studie der Weltgesundheitsorganisation WHO und des Londoner Imperial College ergeben hat. Nur etwa zehn Prozent des Anstiegs seien darauf zurückzuführen, dass heute wesentlich mehr Menschen als vor 40 Jahren auf der Erde leben, sagt Majid Ezzati, Hauptautor der im Fachblatt Lancet veröffentlichten Studie. Als krankhaftes Übergewicht, auch Fettleibigkeit genannt, gilt ein Body-Mass-Index (BMI) ab 30.

In den 1970er Jahren war Fettleibigkeit bei Kindern noch nahezu unbekannt, heute ist das Phänomen hingegen weit verbreitet. Weltweit bringen knapp sechs Prozent aller Mädchen und fast acht Prozent aller Jungen ein Gewicht auf die Waage, das Ärzte alarmiert. In Dutzenden Ländern erreicht die junge Generation mittlerweile einen höheren durchschnittlichen BMI als die Erwachsenen.

Wer bereits im Kindesalter stark übergewichtig ist, riskiert Gesundheitsprobleme, die bis ins hohe Alter reichen. Dazu gehören psychische Leiden, deren Grundstein schon gelegt werden kann, wenn die dicken Kinder zum Beispiel dafür gehänselt werden, dass sie im Schulsport nicht mithalten können. Aber auch körperliche Leiden werden begünstigt, denn oft werden die überzähligen Pfunde aus den Kindheitstagen mit ins Erwachsenenalter geschleppt und können dann frühzeitig Krankheiten wie Diabetes oder Schlaganfälle auslösen.

Die Forscher haben für die Studie Daten aus 200 Ländern ausgewertet, sie stammen von mehr als 30 Millionen Kindern ab einem Alter von fünf Jahren. Dabei entdeckten die Epidemiologen große regionale Unterschiede. So stieg der durchschnittliche BMI in Mikronesien und Polynesien mit jedem Jahrzehnt um etwa einen Punkt an. Heute ist auf einigen der Pazifikinseln nahezu jedes dritte Kind stark übergewichtig, dies ist die höchste Rate der Welt. In Osteuropa hingegen blieb der BMI der Heranwachsenden die ganzen Jahre lang unverändert.

In vielen Industriestaaten stagniert das Gewicht der jungen Generation seit kurzem. "Das ist kein Grund zur Selbstgefälligkeit", mahnt Studienautor James Bentham. Denn noch immer ist zum Beispiel jedes fünfte Kind in den USA und jedes zehnte in Großbritannien erheblich zu schwer. Deutschland schneidet etwas besser als diese beiden Länder ab: Etwa sieben Prozent der Mädchen und elf Prozent der Jungen sind hierzulande fettleibig. Es gibt zudem einige positive Anzeichen, Kinder bewegen sich wieder etwas mehr und die Schuleingangsuntersuchungen zeigen, dass die Zahl zu dicker Erstklässler leicht zurückgeht. "Doch sie Schere zwischen sehr fitten Kindern und solchen, die sich überhaupt nicht bewegen, öffnet sich immer weiter", sagte Alexander Woll vom Institut für Sport und Sportwissenschaft am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) kürzlich. "Es gibt mehr und mehr motorisch auffällige Kinder."

Weltweit betrachtet nimmt Übergewicht weiter zu, der Trend bleibt ungebrochen. Die Forscher der aktuellen Studie schätzen, dass bereits in fünf Jahren mehr übergewichtige als untergewichtige Kinder auf der Welt leben werden. Noch sind 192 Millionen junge Menschen unterernährt, ihre Zahl aber geht zurück. Doch so willkommen ein Ende des Hungers ist, so zeigen die Daten auch, was alles schieflaufen kann, wenn Staaten zu mehr Wohlstand gelangen. In manchen Ländern geht die Entwicklung so rapide vom Untergewicht zum Übergewicht, dass Politik und Gesundheitswissenschaften überfordert sind. Und internationale Initiativen nehmen sich in der Regel nur einem von beiden Problemen an. Sie operierten völlig losgelöst voneinander, kritisieren die Autoren.

Leanne Riley von der WHO fordert daher ernsthafte und konzertierte Aktionen zu starten, um Übergewicht schon im jungen Alter zu bekämpfen. Ansonsten "wird die Gesundheit von Millionen Menschen unnötigerweise gefährdet und zu immensen menschlichen und ökonomischen Kosten führen".

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