Süddeutsche Zeitung

Öffentliche Gesundheit:Trauerspiel um den Tabak

Der neueste Welt-Tabakbericht zeigt: Nur zwei Länder haben ihre Zusagen zum Nichtraucherschutz komplett eingehalten. Diese Laxheit ist beschämend.

Kommentar von Berit Uhlmann

Es mag zunächst nicht übermäßig aufrütteln, vielleicht sogar ermüden, was die Weltgesundheitsorganisation WHO gerade wieder berichtet: Das Tabakrahmenübereinkommen ist weltweit noch immer nicht richtig umgesetzt. Will heißen: Der Schutz von Nichtrauchern besteht vor allem auf dem Papier. Nun ja.

Nur muss man sich vor Augen halten, dass dieses Papier keine mickrige Absichtserklärung ist, die längst vergessene Bürokraten irgendwann einmal in staubigen Ordnern verräumt haben. Das Abkommen ist ein rechtlich bindender Vertrag. Nach jahrelangen Verhandlungen haben ihn nahezu alle Regierungen der Welt unterzeichnet.

Nur hat die WHO keine Sanktionsmöglichkeiten, wenn die Mitgliedsstaaten den Verpflichtungen nicht nachkommen. Viele Länder nutzen dies schamlos aus. Bis heute haben nur zwei Staaten alle sechs Punkte komplett umgesetzt, nach denen die WHO den Erfolg der Anti-Tabak-Strategie bemisst; es sind die Türkei und Brasilien. In vielen anderen Ländern - auch Deutschland - schleift es mit dem Nichtraucherschutz gewaltig.

Es ist beschämend, wie lax die Regierungen ihren eigenen Verpflichtungen nachkommen

Seit Gerhard Schröder vor 15 Jahren die deutsche Fassung des Gesetzes unterschrieb, hat die Bundesregierung gelegentlich mal eine Anti-Rauch-Kampagne aufgelegt. Sie hat außerdem Schockfotos auf die Schachteln drucken lassen, allerdings widerwillig und nur, weil sie durch EU-Recht dazu verpflichtet wurde. Die Tabaksteuern hält die deutsche Politik verglichen mit anderen EU-Staaten eher niedrig. 68,3 Prozent des Preises machen sie hierzulande aus; in Finnland beispielsweise sind es 87,4 Prozent.

Hilfen zum Ausstieg aus der Sucht gibt es für Raucher nur mit Glück. Auch Rauchverbote sind nur stellenweise in Kraft. Der deutschlandweit umfassendste Schutz vor dem Passivrauch wurde nicht von der Politik, sondern auf Initiative der Bevölkerung durchgesetzt. In Bayern darf seit einem Volksentscheid vor zehn Jahren nicht mehr in Gaststätten geraucht werden. Werbung schließlich ist in der Bundesrepublik noch immer nicht komplett verboten. Dass Angela Merkel nun die Plakate voller fröhlicher Raucher untersagen will, ist keine Sensation. Sie verhält sich wie eine Wirtin, die müde bekundet, wenn es nach ihr ginge, sollten die Gäste auch irgendwann mal etwas zu essen bekommen.

Es ist beschämend, wie lax die Regierungen ihren eigenen Verpflichtungen nachkommen. Das schadet ihrem Ansehen, dem Rechtsempfinden und nicht zuletzt der Gesundheit aller. Man kann die Zigarette noch so kleinreden oder hinter anderen Gesundheitsgefahren verstecken. Letztlich bleibt es dabei: Tabak ist das einzige legale Produkt, das tötet, wenn es genauso verwendet wird wie vorgesehen.

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Quelle:
SZ vom 27.07.2019
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