Die Qualität von Pflegeheimen und ambulanten Pflegediensten in Deutschland ist deutlich schlechter als vom offiziellen Pflege-TÜV des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen bislang dargestellt. Aus einer neuen Auswertung der Pflege-Noten durch die Bertelsmann-Stiftung geht hervor, dass nur elf Prozent der Heime und 29 Prozent der Hilfsdienste alle wichtigen Kriterien erfüllen. Für den Bericht wurde etwa vorrangig bewertet, ob Pflegebedürftige regelmäßig ihre Medikamente bekommen, ob sie ausreichend trinken und nicht gegen ihren Willen oder ohne Gerichtsbeschluss ans Bett gefesselt werden. Zwischen zwei und vier Prozent der Einrichtungen erfüllen demnach nicht einmal ein Drittel der Vorgaben.
Diese neue Auswertung zeichnet damit ein negativeres Bild von der Qualität der Betreuung, als die Noten des Medizinischen Dienstes suggerieren. Beim Pflege-TÜV schneiden deutlich mehr Einrichtungen hervorragend ab: Etwa jedes vierte Heim und fast jeder zweite ambulante Dienst erreicht dort die Bestnote von 1,0. Der Pflege-TÜV steht aber schon länger in der Kritik, weil seine Ergebnisse oft nicht aussagekräftig sind. So ist es zum Beispiel möglich, dass gravierende Versäumnisse bei der Wundversorgung der Patienten ausgeglichen werden können, wenn die Speisekarte des Pflegeheims gut lesbar ist.
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Künftig soll es eine einheitliche Ausbildung für alle Pflegeberufe geben. Nicht wenige fühlen sich von dem Regierungsplan überfordert.
Gröhe: Pflege-TÜV trägt zur Verunsicherung bei
Bei der neuen Auswertung hingegen werde nur berücksichtigt, "was wirklich beim Patienten ankommt", sagte Stefan Etgeton, Gesundheitsexperte der Bertelsmann-Stiftung, der Süddeutschen Zeitung. Die neuen Ergebnisse, die am Dienstag in Gütersloh vorgestellt wurden, offenbarten eine "starke Kluft zwischen der Pflegequalität und dem, was die bisherigen Noten abbilden".
Seit 1999 prüft der Medizinische Dienst alle Pflegeheime und ambulanten Pflegedienste regelmäßig nach einem festgelegten System. Dabei erhielten die Pflegeeinrichtungen bundesweit die Durchschnittsnote 1,3. Selbst Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) hat bereits zugegeben, dass der Pflege-TÜV in seiner bisherigen Form sogar zur "Verunsicherung" beiträgt. Seit Jahresbeginn arbeitet das Ministerium daran, ein neues Bewertungsverfahren zu entwickeln.
Die Ergebnisse sollen spätestens Ende 2017 vorliegen. Bis dahin sollen die umstrittenen Bewertungen jedoch bestehen bleiben. Über das Internetportal "Weisse Liste" der Bertelsmann-Stiftung sollen sich Pflegebedürftige und ihre Angehörigen derweil auf einer besseren Grundlage über die Stärken und Schwächen einzelner Einrichtungen informieren können. Die Stiftung will zudem, dass in Zukunft stärker als bislang die Lebensqualität der Senioren bewertet wird.
Zugleich forderte die Deutsche Stiftung Patientenschutz Gröhe am Dienstag dazu auf, die Pflege deutlich schärfer kontrollieren zu lassen. Vor dem Hintergrund des im April bekannt gewordenen Abrechnungsbetrugs sagte Stiftungsvorstand Eugen Brysch, Betrug in der Pflege sei "nichts Neues". Jeder Patient benötige eine Identifikations-Nummer, darüber hinaus müssten Abrechnungen in Zukunft ausschließlich elektronisch erfolgen. Nur das schaffe die Möglichkeit, "wirksam Betrügern auf die Spur zu kommen", so Brysch.