Süddeutsche Zeitung

Alkohol:Saufen für die Forschung

  • 90 Freiwillige traten an, um sich im Dienst der Forschung zu betrinken.
  • Eine Gruppe bekam erst Bier, dann Wein, in einer zweiten Gruppe war die Getränkefolge umgekehrt.
  • Das Ergebnis fiel recht eindeutig aus: Die Reihenfolge ist egal; auf die Gesamtmenge an Alkohol kommt es an.

Von Werner Bartens

Vermutlich war es nicht schwierig, Freiwillige für diese Studie zu gewinnen. Schließlich ging es darum, sich im Dienst der Wissenschaft unter Anleitung zu betrinken. Die zu konsumierenden Mengen waren allerdings recht erheblich, denn die Forscher wollten untersuchen, wie heftig der Kater ausfällt. Dahinter stand die Frage, ob an der alten Zecherweisheit "Bier auf Wein, das lass sein. Wein auf Bier, das rat' ich Dir", etwas dran ist. Das Ergebnis fiel recht eindeutig aus: Die Reihenfolge ist egal; auf die Gesamtmenge an Alkohol kommt es an.

Um zu dieser alltagsrelevanten Erkenntnis zu kommen, half ein ausgeklügeltes Studiendesign mit drei Gruppen, auch wenn insgesamt nur 90 Männer und Frauen im Alter zwischen 19 und 40 Jahren an der Untersuchung teilnahmen, wie Forscher der Universität Witten-Herdecke im American Journal of Clinical Nutrition berichten. Für die erste Gruppe gab es abends zunächst Bier zu trinken, bis die Probanden 0,5 Promille Alkohol in der ausgeatmeten Luft hatten. Anschließend wurde Weißwein serviert, bis sich der Promillewert ungefähr verdoppelte. Die zweite Gruppe erhielt erst Wein, dann Bier. Die Mitglieder der dritten Gruppe tranken entweder nur Wein oder nur Bier, wobei die Alkoholspiegel dieselben Werte erreichten wie bei den anderen.

Eine Woche später gab es die Getränke in der jeweils anderen Reihenfolge und die Teilnehmer der dritten Gruppe wechselten das Getränk. Nach dem letzten Glas sollte jeder Proband das Ausmaß seiner Trunkenheit auf einer Skala zwischen 0 und 10 bewerten - sofern er dazu noch in der Lage war. Am nächsten Morgen wurde anhand von Symptomen wie Müdigkeit, Kopfschmerzen, Durst, Übelkeit, Bauchweh und Appetitlosigkeit der "Kater-Wert" auf einer Skala von 0 bis 56 ermittelt.

Weder was den Grad der Trunkenheit noch das Ausmaß des Katers anging, fanden sich Unterschiede zwischen den Gruppen. Das Befinden am nächsten Morgen war bei den Teilnehmern ähnlich bescheiden, egal, was sie in welcher Reihenfolge getrunken hatten. Auch für Frauen traf dieses Ergebnis zu, außer dass sie, wie lange bekannt ist, bereits bei einer geringeren Dosis betrunken waren und Katersymptome entwickelten.

"Die Wahrheit ist, dass die Wahrscheinlichkeit eines Katers hoch ist, wenn man zu viel Alkohol - gleich welcher Art - trinkt", sagt Jöran Köchling vom Klinikum der Universität Witten/Herdecke. Kai Hensel, der ebenfalls an der Studie beteiligt war, gewinnt dem dicken Kopf nach Alkoholexzessen zwar etwas Positives ab: "So unangenehm ein Kater auch ist, er hat zumindest ein Gutes: Er ist ein Warnsignal, das Menschen seit frühesten Zeiten dabei geholfen haben dürfte, ihr zukünftiges Verhalten zu ändern, also von Fehlern zu lernen." Den Alltag der meisten Gewohnheitstrinker wird er damit wohl nicht erfasst haben.

Auch wenn ihre Erkenntnisse für Bier und Weißwein gelten mögen, wissen die Forscher, dass andere Getränke durchaus dafür bekannt sind, unterschiedlich starke Symptome am Morgen danach hervorzurufen. Bei gleicher Alkoholmenge führt Bourbon zu einem stärkeren Kater als Wodka, was offenbar auf Farb- und Geschmacksverstärker oder andere Inhaltsstoffe zurückzuführen ist. Als weitere Gründe für die Beschwerden gelten Dehydratation, also die Abnahme des Wassergehalts im Körper - weswegen Wasser zum Schnaps oder Wein ein guter Tipp ist. Zudem kann Alkohol entzündungsfördernd wirken und Stoffwechsel wie Hormonhaushalt stören, was die unangenehmen Folgen eines Rausches ebenfalls erklären könnte.

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