Waschmaschine und Hygiene:Kleider aus der Keimschleuder

30 Grad und mildes Colorwaschmittel lassen Bakterien in der Waschmaschine besonders gut gedeihen. Wissenschaftler warnen vor Infekten.

Hanno Charisius

Dass Waschmaschinen manchmal Keimschleudern sind, haben inzwischen mehrere Forschergruppen unabhängig voneinander nachgewiesen. Martin Exner zum Beispiel, Direktor am Hygiene-Institut der Universität Bonn, hat in einer noch unveröffentlichten Studie untersucht, wie Bakterien der Art Staphylococcus aureus von kontaminierten Testläppchen auf andere Wäschestücke in der Trommel springen. Besonders viele schafften den Sprung, wenn die Maschine bei nur 30 Grad Celsius und mit einem milden Colorwaschmittel lief. Bei 60 Grad siedelten deutlich weniger Mikroorganismen um. Bleichhaltiges Vollwaschmittel schaffte es sogar bei niedrigen Temperaturen, die Mikrobenmigration vollständig zu stoppen.

Schonwaschgang mit Mikroben

Im Haushalt gelangen schnell einmal verschmutzte Unterhosen eines Kindes oder Socken eines Mannes mit Dornwarzen an den Füßen in eine Maschine, die im Schonwaschgang gestartet wird. Der Mikrobiologe Charles Gerba von der University of Arizona hat bei Stichproben durchschnittlich 0,1 Gramm fäkale Reste in amerikanischen Unterhosen gefunden, die zumeist mit dem bloßen Auge gar nicht zu sehen sind. Diese Menge entspricht etwa einer Million Mikroben, wobei die meisten keine Gefahr für die Gesundheit darstellen.

"Das sind plausible Szenarien", sagt Thomas Hauer vom Freiburger Beratungszentrum für Hygiene. Er glaubt allerdings nicht, dass dadurch mehr Krankheiten in Haushalten verursacht werden, als beispielsweise von schlecht gewaschenen Händen oder einem selten gewechselten Duschvorleger. Martin Exner beklagt zudem fehlende epidemiologische Untersuchungen zu diesem Thema.

Allerdings hat die Infektiologin Elaine Larson von der Columbia University in New York bereits im Jahr 2001 festgestellt, dass ein Zusammenhang zwischen unzureichendem Wäschewaschen und der Übertragung von Infektionskrankheiten bestehen könnte. Sie hatte zuvor 398 Haushalte mit insgesamt 1662 Familienmitgliedern untersucht. In mehr als drei von vier Familien trat innerhalb des 30-tägigen Beobachtungszeitraumes eine Infektion auf, in jeder zweiten davon, kam es zu einer Übertragung auf ein Familienmitglied. Die anschließende Analyse brachte hervor, dass die Nutzung von Waschsalons und fehlende Bleiche im Waschmittel das Infektionsrisiko deutlich steigern.

Antibiotikaresistenz durch neue Waschgewohnheiten

Martin Exner hält es sogar für möglich, dass die rasche Ausbreitung von antibiotikaresistenten Keimen in den USA mit den neuen Waschgewohnheiten in Verbindung steht. Bis vor wenigen Jahren kannte man diese Entzündungen verursachenden und mitunter tödlichen Erreger nur in Krankenhäusern und Altenheimen. Heute sind diese Bakterien, die sich nur mit stärksten Medikamenten bekämpfen lassen, auch in häuslicher Umgebung zu finden - auch in Deutschland.

Dieses Problem könnte in Zukunft noch wachsen, fürchtet Exner. Bereits heute würden im häuslichen Bereich 1,45 Millionen pflegebedürftige Menschen versorgt, unter ihnen viele Alte mit geschwächtem Immunsystem. Der Hygiene-Facharzt plädiert für eine neue Risikobewertung der Infektionsgefahren im häuslichen Umfeld. Dazu zählt er die Waschmaschine mit Sparprogramm. "Wir bewegen uns inzwischen in Bereichen, wo der Umweltschutz auf Kosten den Gesundheitsschutzes geht", warnt Exner.

Baumwolle statt Synthetikschlüpfer

Eine Wäsche bei 30 Grad fördere Krankheitserreger mehr als es sie im Wachstum bremst, erklärt der Biofilmexperte Hans-Curt Flemming von der Universität Duisburg. "Wir tun im Grunde alles dafür, dass es den Mikroorganismen in der Wäsche gutgeht."

Reinigungsmittel ernähren Mikroben

Die modernen Reinigungsrezepturen seien dermaßen mild, dass man sie mit Konservierungsmitteln vor dem Verderben schützen müsse. Seit Jahrzehnten ist vorgeschrieben, dass Waschmittel in der Kläranlage biologisch abbaubar zu sein haben. Das heißt aber auch: Mikroben auf den Klamotten können sich von den Reinigungsmitteln ernähren. Flemming empfiehlt nach dem Gebrauch von Flüssigwaschmitteln, die Wäsche besonders gut durchzuspülen, damit sich keine Bakterienkolonien in den Detergenz-Resten ansiedeln können. Als Keimtöter könnte man auch die Sonne für sich arbeiten lassen, rät er, "die Hitze und das UV-Licht bekommen den Mikroben nicht."

Exner, Flemming und andere Kollegen betonen aber auch, Anlass zur Panik gebe es derzeit nicht. "Wenn alle Mitglieder des Haushalts gesund sind und die Waschmaschine ab und zu gereinigt wird, besteht kein Grund zur Sorge", sagt Thomas Hauer. Schon gar nicht sollte man ohne schwerwiegenden Grund zu desinfizierenden Hygienespülern greifen. "Die größere Umweltbelastung und das allergische Risiko stehen in keinem Verhältnis zum Nutzen." Eine 60 Grad Wäsche mit Vollwaschmittel genüge vollauf, um mit den meisten Bakterien und Pilzen fertig zu werden.

Bei Durchfall Robustes

Dieser Empfehlung schließen sich auch Waschmittelhersteller an "Flecklösende Enzyme schaffen ihre Arbeit auch bei niedrigen Temperaturen", sagt Dirk Bockmühl aus der Entwicklungsabteilung für Wasch- und Reinigungsmittel bei Henkel. "Wenn es um die Wäsche von Kranken geht, empfehlen wir jedoch höhere Temperaturen und auch ein bleichmittelhaltiges Pulver". Der Trend zur lauwarmen Wäsche werde jedoch nicht nur vom Umweltschutzgedanken geleitet, sondern auch von den Textilherstellern diktiert, sagt der Mikrobiologe: "Die Industrie gibt vor, dass viele neue Gewebe nur noch 30 Grad aushalten."

Wer auf empfindliche Seidendessous oder Synthetikschlüpfer dennoch nicht verzichten will, sollte sie wenigstens im Schrank lassen, wenn er krank ist, empfiehlt Martin Exner. Bei Durchfallerkrankungen oder Pilzen seien "robustere Textilien" angeraten. Baumwollunterhosen zum Beispiel.

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