Süddeutsche Zeitung

Psychologie:Warum gute Vorsätze so selten gelingen

Zwei Drittel halten ihre Vorsätze nicht mal bis Ende Januar durch. Dabei kann der innere Schweinehund mit ein paar Tricks durchaus besiegt werden.

Von Werner Bartens

Der Wunschzettel für Weihnachten ist abgearbeitet, da naht schon der nächste mit Erwartungen überfrachtete Sehnsuchtstag. Geht der Kalender zur Neige, nehmen die guten Vorsätze zu. Es ist wie im Räumungsverkauf: Alles raus, alles muss anders werden. Zu Silvester werden Gelübde abgelegt: Mehr Gemüse, mehr Sport, freundlicher zur Liebsten sein, auch mal mit dem Hund rausgehen. Andere wollen Spanisch lernen, Tanzkurse buchen oder auf die Osterinsel. Nur leider gilt: Wo ein Wille ist, findet sich meist doch kein Weg. Zwei Drittel halten ihre Vorsätze nicht mal bis Ende Januar durch.

"Es gibt kaum Menschen, die noch nie zu Silvester Vorsätze gefasst haben", sagt Dieter Frey, Sozialpsychologe an der Ludwig-Maximilians-Universität München. "Die einen haben feste Pläne, andere halten es lockerer - aber 30 bis 40 Prozent nehmen sich jedes Jahr vor, etwas zu ändern." Der Mensch hat Ideale und spürt irgendwann schmerzlich, dass die Realität anders aussieht. Wer sich im Spiegel nur frontal erblickt, bemerkt den stattlichen Bauch zwar nicht so schnell. Aber irgendwann ist die Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit nicht zu übersehen.

Wie Veränderungen gelingen

Die Vorsätze, etwas zum Besseren zu wenden, scheitern in schöner Regelmäßigkeit. Eine riesige Industrie lebt davon, dass Menschen Jahr für Jahr dasselbe wollen - und nicht schaffen. Nichts verkauft sich wie Diät- und Kochbücher. Keine finanzielle Verpflichtung läuft, mit Ausnahme von Baukrediten, so lange wie die Mitgliedschaft im Fitnessstudio. Es gilt das Prinzip Teufelskreis. "Wie die Absichten umgesetzt werden, ist zu wenig durchdacht", sagt Frey. "Dann misslingen erste Versuche, und die Leute geben auf." Dabei müssten nur Regeln beachtet werden, etwa die der kleinen Schritte: Besser 100 Dinge um ein Prozent ändern als eine Angewohnheit um 100 Prozent.

Zudem entscheidet die Motivation. "Herzblut muss dabei sein, man muss etwas wirklich wollen oder Leidensdruck haben", sagt Psychologe Frey. "Die Vorsätze müssen also extrem wichtig für einen sein, sonst gibt man gleich auf." Die Veränderung sollte außerdem positiv besetzt sein. Wer Sport vor allem als Quälerei versteht, wird sich auch 2017 kaum dazu aufraffen können. Wird er hingegen als lustvolles Unterfangen in der Gruppe gesehen, ist das Gelingen wahrscheinlicher.

Belohnungen helfen, Erinnerungen und öffentliche Bekundungen ebenfalls

Schließlich geht es auch um eine gehörige Portion Pragmatismus: Ist die Fernreise zeitlich und finanziell überhaupt realistisch? Wo ist die Lücke für den Sprachkurs, und wann soll ich joggen? Belohnungen helfen, Erinnerungen und öffentliche Bekundungen ebenfalls. "Ohne konkrete Aktionspläne haben gute Vorsätze keine Chance", sagt Frey. "Erst wenn die Bedingungen stimmen, um Vorsätze umzusetzen, stellt sich das Gefühl der Selbstwirksamkeit ein: Ich kann es, ich will es und es liegt allein an mir, ob es klappt."

Behält der innere Schweinehund doch die Oberhand oder stellt sich Misserfolg ein, ist es wichtig, gut zu sich zu sein und nicht in Selbsthass zu verfallen. Nur dann kann der nächste Tag als neue Chance verstanden werden, es zu versuchen - und etwa den Vorsatz zu pflegen, im neuen Jahr jeden Tag einen anderen Kuchen zu probieren.

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SZ vom 31.12.2016/lalse
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