Süddeutsche Zeitung

Virus-Alarm:Wie gefährlich ist Zika?

Kann das Virus beim Geschlechtsverkehr übertragen werden? Wie groß ist die Gefahr in Deutschland? Antworten auf die drängendsten Fragen.

Von Werner Bartens

Seit Wochen beunruhigt ein kleines Insekt einen ganzen Kontinent - und mittlerweile die ganze Welt. Der Stich der ägyptischen Tigermücke, Aedes aegypti, auch Gelbfiebermücke genannt, kann das Zika-Virus übertragen. Der Erreger wurde zwar schon 1947 in der Fachwelt beschrieben, war aber den meisten Ärzten bis vor kurzem unbekannt. Seit einem halben Jahr ist das anders, weil in Brasilien und anderen Ländern Lateinamerikas vermehrt Kinder mit zu kleinen Köpfen und Gehirnen geboren werden. Der Verdacht, eine Infektion mit dem Zika-Virus während der Schwangerschaft löse die Fehlbildungen aus, liegt nahe, ist aber noch nicht bewiesen. Am Montag hat die Weltgesundheitsorganisation WHO den "internationalen Gesundheitsnotfall" ausgerufen. Am Tag darauf behaupteten Gesundheitsbehörden in Texas, dass dort das Zika-Virus durch Geschlechtsverkehr übertragen worden sei. Die Besorgnis steigt.

Wie wird das Zika-Virus übertragen?

Die ägyptische Tigermücke überträgt das Virus, indem sie einen infizierten Menschen sticht und auf diese Weise den Erreger aufnimmt. Sticht sie dann einen anderen Menschen, kann dieser angesteckt werden. Die gestreiften Moskitos gelten laut US-Seuchenschutzbehörde CDC als "aggressive Tageslicht-Stecher, die aber auch nachts zuschlagen können". Während der Schwangerschaft können werdende Mütter ihre Babys anstecken, allerdings ist der CDC zufolge unbekannt, wie häufig das Virus in der Schwangerschaft oder bei der Geburt auf das Kind übertragen wird.

Gibt es andere Ansteckungswege?

Seit spekuliert wird, ob Zika-Viren auch beim Sex übertragen werden - einen entsprechenden Fall soll es in Texas gegeben haben - ist die Aufregung groß. Eine Ansteckung per Geschlechtsverkehr würde schließlich bedeuten, dass sich das Virus in Windeseile rund um den Globus verbreiten kann nicht auf die Mücke als Vektor, wie Überträger in der Fachwelt heißen, angewiesen ist. Das Robert-Koch-Institut (RKI) stellt dazu fest: "Eine Mensch-zu-Mensch-Übertragung spielt keine Rolle bei der Verbreitung. Nur in Einzelfällen scheint die Möglichkeit einer sexuellen Übertragung zu bestehen. Vermutlich hat das aber keinen nennenswerten Einfluss auf die Verbreitung des Erregers."

Wieso wird die sexuelle Übertragung des Zika-Virus von Fachleuten als unbedeutend angesehen?

Gelegentlich wurde schon früher von einer Übertragung des Virus durch Bluttransfusionen oder Sex berichtet. Bei Zika-Ausbrüchen 2007 auf den Yap-Inseln im Pazifik und 2013/14 in Französisch-Polynesien fand die Infektion aber nur in seltenen Fällen durch Geschlechtsverkehr statt. In einem Fall ist dokumentiert, dass sich Viren im blutigen Sperma eines 44-Jährigen aus Tahiti befanden, der zuvor an einem Fieberleiden erkrankt war (Emerging infectious diseases, Bd. 21, S. 552, 2015). In einem anderen Fall wird von einem Mann berichtet, der sich 2008 im Senegal mit Zika infizierte, dann an einer Prostata-Entzündung litt und deshalb ebenfalls Blut im Sperma aufwies, wodurch er offenbar - zu Hause in Colorado - seine Frau mit dem Virus angesteckt hat. Weil jeweils krankhafterweise Blut im Sperma nachgewiesen wurde, gilt die Ansteckung via Sex - von Ausnahmen wie den erwähnten abgesehen - als unwahrscheinlich.

Wie groß ist die Gefahr in Deutschland?

Eine Infektion in Mitteleuropa ist ziemlich unwahrscheinlich. "Die Gelbfiebermücke (Aedes aegypti) kommt in Deutschland nicht vor. Eine andere Mückenart, von der noch nicht bekannt ist, ob sie das Zika-Virus überträgt, die asiatische Tigermücke (Aedes albopictus), kommt nur sehr punktuell in Süddeutschland vor", so das Robert-Koch-Institut. "Eine Mücke müsste sich auch erst einmal selbst an einem Zika-Patienten infizieren, bevor sie das Zika-Virus weiterverbreiten könnte."

Gibt es trotzdem Erkrankungsfälle in Deutschland?

Das RKI berichtet von Einzelfällen, in denen das Virus aus betroffenen Erdteilen importiert wurde, etwa 2013 von einem Reiserückkehrer aus Asien. Im Rahmen der aktuellen Zika-Epidemie in Süd- und Mittelamerika hat das Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin einzelne Infektionen bei Reiserückkehrern diagnostiziert. Da in Deutschland keine Meldepflicht für die Erkrankung besteht, ist nicht ausgeschlossen, dass es weitere Erkrankungen von Fernreisenden gibt - sowie unbemerkt verlaufende Infektionen.

Ist die Beunruhigung in Deutschland gerechtfertigt?

"Die Berichterstattung mit omnipräsenten Bildern von Babys mit Mikrozephalie und 'Neues-Virus'-Schlagzeilen - die inkorrekt sind - schüren große Ängste in der Bevölkerung vor einer fieberhaften Erkrankung, die klinisch bisher leichter verläuft als die Erkrankung mit verwandten Viren", sagt Marylyn Addo, Leiterin der Sektion Tropenmedizin am Uniklinikum Hamburg. "Reiseberatung und Tropenambulanz des Uniklinikums und am Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin konnten sich vergangene Woche vor Anfragen verunsicherter Bürger kaum retten. Die Botschaft, dass der Krankheitsverlauf meist gutartig ist und es viele symptomfreie Infektionen gibt, geht oft unter, genauso wie die Tatsache, dass keine unmittelbare Gefahr für Deutschland und Europa besteht."

Welche Gefahr besteht bei Ansteckung?

Die Infektion verläuft in vier von fünf Fällen unbemerkt. Analysen des Ausbruchs auf den Yap-Inseln 2007 haben gezeigt, dass nur 18 Prozent der Betroffenen überhaupt Symptome entwickelten. Beschwerden ähneln denen einer leichten Grippe: Fieber bis 38 Grad, Hautausschlag, Gelenkschmerzen und Bindehautentzündung. Auch Schwangere entwickeln - wenn überhaupt - keine heftigeren Symptome, doch eine Infektion mit dem Virus kann womöglich das Neugeborene schädigen und zu Fehlbildungen im Bereich von Kopf und Gehirn führen. Zu welchem Zeitpunkt der Schwangerschaft - vermutlich im ersten Drittel - und unter welchen Umständen Kinder vulnerabel sind, ist noch unklar.

Welcher Zusammenhang zwischen kindlichen Fehlbildungen und einer Infektion mit Zika-Viren ist erwiesen?

Das ist ungewiss. Im Fachblatt Nature vom heutigen Donnerstag weisen Forscher darauf hin, dass brasilianische Behörden 2014 nur 147 Fälle von Mikrozephalie erfasst hätten - gemessen an der Größe des Landes müsste das Leiden jedoch mindestens zehn Mal so häufig gewesen sein. Vor dem Hintergrund von jährlich vermutlich 1500 Fällen nehme sich der Anstieg auf 4000 Verdachtsfälle seit Oktober 2015 nicht ganz so dramatisch aus. Zudem sei die Dokumentation schwierig. Von den 4000 Verdachtsfällen hat das Gesundheitsministerium bisher 270 bestätigt - und 462 als Fehldiagnosen verworfen.

Was bedeutet der Zika-Ausbruch für die Olympischen Spiele 2016 in Rio?

"Brasilien ist Gastgeber für die Olympischen Spiele in Rio - und es ist Gastgeber für drei Virusarten, die Dengue-Fieber, Chikungunya und Zika verbreiten", schreibt Patricia Schlagenhauf, Reisemedizinerin an der Universität Zürich. Während sie die Herausforderung betont, seriöse Reiseempfehlungen zu den Spielen im August aufzustellen, sind andere Forscher optimistisch: "Ich denke, dass sich die Zika-Lage bis zu den Sommerspielen beruhigt hat, da die Immunität dann bereits hoch sein wird und weniger empfängliche Individuen für den Erhalt und die Ausbreitung des Virus bleiben werden", sagt der Virologe Jan Felix Drexler von der Uniklinik in Bonn.

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Quelle:
SZ vom 04.02.2016
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