Süddeutsche Zeitung

Biowaffen:Explosion in russischem Hochsicherheitslabor

  • Nach offiziellen Angaben explodierte eine Gasflasche bei Renovierungsarbeiten und ein Feuer brach aus. Ein Mann wurde verletzt.
  • In dem Gebäudeteil sollen keine biologischen Materialien lagern. Die Bevölkerung sei nicht in Gefahr, heißt es von den Behörden.
  • Im "Vector"-Labor sollen neben Ebola- und HIV- auch Pockenviren lagern.

Von Hanno Charisius

Nach offiziellen Angaben gibt es noch zwei Orte auf der Welt, an denen Pockenviren gelagert werden: In den Labors der amerikanischen Seuchenschutzbehörde CDC in Atlanta und im russischen Pendant, dem Vector-Labor südöstlich von Nowosibirsk. Dort soll am Montag ein Feuer ausgebrochen sein.

Auf seiner Webseite veröffentlichte das Labor am Montag eine spärliche Stellungnahme, laut der ein Gastank im fünften Stock des Gebäudes während Renovierungsarbeiten explodiert war. Der Brand sei auf 30 Quadratmetern in einem Bereich ausgebrochen, in dem keine biologischen Materialien gelagert werden und sei schnell unter Kontrolle gebracht worden, berichten russische Staatsmedien. Ein Mann sei mit Verbrennungen in ein Krankenhaus eingeliefert worden. Eine Gefahr für die Bevölkerung bestehe laut Behördenangaben nicht. Die lokale Feuerwehr betrachtete das Feuer zunächst als Routine, stufte den Brand jedoch zu einem "schweren Vorfall" hoch, nachdem klar war, in welcher Art von Einrichtung das Feuer ausgebrochen war. Auch am Tag nach der Explosion war die genaue Ursache des Vorfalls noch unklar. Russische Behörden untersuchen den Unfall nun.

Das Pockenvirus gilt als einer der gefährlichsten Krankheitserreger. Es wird nicht nur leicht von Mensch zu Mensch übertragen, es ist auch besonders gefährlich. Je nachdem, mit welchem Virus-Typ sie sich infiziert haben, sterben bis zu 75 Prozent der Patienten. Während des Kalten Krieges suchten beide Supermächte nach Methoden, Pockenviren als Biowaffen einzusetzen. Seit Beginn der 1980er-Jahre gelten die Pocken dank wirkungsvoller Impfstoffe weltweit als ausgerottet. Sie existieren nur noch in den amerikanischen und russischen Hochsicherheitslabors. Inwieweit dort noch mit den gefährlichen Erregern gearbeitet wird, ist nicht bekannt. Bislang konnten sich die USA und Russland nicht darauf einigen, ihre Pockenproben zu vernichten.

Auch an Ebola, HIV und Milzbrand wird im Vector-Labor gearbeitet. Zuletzt entwickelten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler dort einen Impfstoffkandidaten gegen das Ebola-Virus, der zurzeit erprobt wird. Während des Kalten Krieges arbeiteten Schätzungen zufolge bis zu 60 000 sowjetische Wissenschaftler an Bakterien und Viren, mit dem Ziel, sie für den Einsatz in Biowaffen infektiöser und aggressiver zu machen. So wurde zum Beispiel versucht, Gene vom Ebola-Virus auf Pocken zu übertragen, um diese noch gefährlicher zu machen. Die Programme wurden 1992 beendet, nachdem der damalige russische Präsident Boris Jelzin eingeräumt hatte, dass diese Arbeiten die internationale Biowaffenkonvention verletzt haben. Experten bezweifeln jedoch, dass weltweit die staatliche Forschung an Biowaffen tatsächlich ruht.

Im Jahr 2004 starb eine Vector-Forscherin, nachdem sie sich durch eine verunreinigte Kanüle mit dem Ebola-Virus infiziert hatte. Bei einer Untersuchung im Jahr 2016 stuften Mitarbeiter der WHO das russische Labor zuletzt als sicher ein.

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Quelle:
SZ vom 18.09.2019
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