Süddeutsche Zeitung

Potenzmittel:Wie Viagra in den Verdacht geriet, Krebs zu verursachen

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Von Hanno Charisius

Substanzen wie der Viagrawirkstoff Sildenafil sind womöglich doch nicht dafür verantwortlich, dass Männer, die diese Arzneimittel nehmen, ein erhöhtes Hautkrebsrisiko haben. Nach der Analyse von mehr als 20 000 Patientenakten kommt ein internationales Medizinerteam zu dem Schluss, dass die Lebensumstände der Patienten zu einem Anstieg des Melanomrisikos führen und nicht die Wirkstoffe, die auch als PDE-5-Hemmer bezeichnet werden.

Die Forscher um Stacy Loeb von der New York University schreiben im Fachblatt JAMA, dass sie wegen des unklaren Erkrankungsmusters bezweifeln, dass die Erektionshilfen Ursache für die erhöhte Zahl von Melanomen sind. Ihren Daten zufolge verfügen Potenzmittel-Anwender im Durchschnitt über einen höheren Bildungsstand und ein höheres Einkommen. Damit seien auch längere Aufenthalte in der Sonne wahrscheinlicher, die Hautkrebs begünstigen können. So lautet zumindest ein Erklärungsansatz der Forscher, deren Arbeit teils durch Pharmafirmen unterstützt wird, die auch Potenzmittel herstellen.

Im vergangenen Jahr hatte eine Studie des Dermatologen Wen-Qing Li von der Harvard University den Zusammenhang zwischen PDE-5-Hemmern und Melanomen erstmals aufgezeigt und auch einen möglichen Wirkmechanismus postuliert ( JAMA Internal Medicine). Li und seine Kollegen räumten damals allerdings ein, dass ihre Daten nicht ausreichend seien, um generell vom Gebrauch der Potenzmittel abzuraten, sie empfahlen aber dringend weitere Untersuchungen.

Loeb und ihre Kollegen verwendeten Daten aus Schweden für ihre Analyse, die sämtliche Verschreibungsinformationen der zurückliegenden Jahre enthalten. Die Amerikaner hatten hingegen in Fragebögen die Nutzung der Potenzmittel erhoben - eine mögliche Fehlerquelle. Gegen einen ursächlichen Zusammenhang spricht auch, dass das Melanomrisiko nicht gleichsam mit dem Gebrauch der PDE-5-Hemmer ansteigt, sondern bei einmaliger Verschreibung am höchsten ist.

Auch wenn derzeit noch keine generellen Schlussfolgerungen möglich seien, sagt Thomas Otto, Chefarzt der Urologischen Klinik am Lukaskrankenhaus in Neuss, reiche der Verdacht bereits, um Patienten zu informieren und auf regelmäßige dermatologische Untersuchungen hinzuweisen.

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Quelle:
SZ vom 24.06.2015
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