Versicherungen für Hebammen:Das Ende der Hausgeburt

Freiberufliche Hebammen fürchten um ihre Existenz, weil keine Haftpflichtversicherung sie mehr aufnehmen will.

Von Nina von Hardenberg

Wer sein Kind zu Hause oder in einem Geburtshaus zur Welt bringen möchte, könnte bald keine Hebamme mehr dafür finden. Notstand droht laut Hebammenverband außerdem vielen Landkrankenhäusern, die Hebammen nur für die Geburt ins Haus holen. Denn in allen drei Fällen arbeiten die Hebammen freiberuflich. Ein Angebot, das es schon bald nicht mehr geben wird, warnen Hebammenverbände.

Die freiberuflichen Hebammen fürchten um ihre Existenz, seitdem die Nürnberger Versicherung ihnen die Haftpflichtversicherung gekündigt hat. Zum 1. Juli 2015 steigt sie aus den zwei noch zur Verfügung stehenden Versicherungskonsortien für Hebammen aus. Bislang sei es nicht gelungen, einen anderen Versicherer zu gewinnen. Ohne Haftpflichtschutz aber dürfen Hebammen hierzulande nicht arbeiten.

"Es geht nicht nur um die zwei Prozent Hausgeburten. Das ganze Beleg-Hebammen-System kippt", warnte Katharina Jaschke, Präsidiumsmitglied im Deutschen Hebammenverband. Freiberufliche Hebammen betreuten 20 Prozent aller Geburten in Kliniken. So stellten gerade Krankenhäuser auf dem Land die Geburtshelferinnen oft nicht selbst an, sondern überlassen ihnen nur die Räume. Mit dem Rückzug der Nürnberger Versicherung sei dieses Angebot gefährdet.

Die Hebammen haben schon seit Jahren Schwierigkeiten, ihre Haftpflichtrisiken abzusichern. Schuld daran ist eine eigentlich positive Entwicklung: Gerichte gewähren Kindern, die bei der Geburt beispielsweise durch Sauerstoffmangel bleibende Behinderungen davontragen, viel höheres Schmerzensgeld als früher. Bei gleichen Schäden werde heute etwa vier Mal so viel gezahlt wie vor zehn Jahren, sagt Bernd Hendges, der als Versicherungsmakler den Deutschen Hebammenverband betreut.

Nur drei von 500 Versicherungen wollten Hebammen absichern

Außerdem erkennen die Richter zunehmend auch die langfristigen Kosten der Pflege kranker Kinder an. Was den Kindern und ihren Familien zusteht und hilft, bringt die Hebammen in Nöte. Die Versicherungen müssen immer höhere Schadenssummen begleichen. Bis zu sechs Millionen Euro deckt die aktuelle Versicherung des Hebammenverbandes ab. Doch es gab schon Fälle, wo diese Summe überschritten wurde. Die Hebammen haften dann mit ihrem Privatvermögen. Bei den geringen Verdiensten kann dies die Privatinsolvenz bedeuten.

Im vergangenen Jahr habe man europaweit 500 Versicherungen abgefragt. Am Ende fanden sich gerade drei, die die Geburtshelferinnen versichern wollten, berichtet Hendges: Die Versicherungskammer Bayern, die R+V und die Nürnberger Versicherung. Mit nur zwanzig Prozent ist die Nürnberger Versicherung der kleinste Partner in dem Konsortium. Dennoch geht Makler Hendges nicht davon aus, dass die anderen Partner den Teil übernehmen. Geburtshilfe gilt als Risiko-Geschäft, das im Portfolio jeder Versicherung nur einen bestimmten Teil ausmachen darf.

Die Hebammen haben nun eineinhalb Jahre Zeit, einen neue Versicherer ins Boot zu holen. Doch selbst wenn ihnen das gelingt, dürften die Kosten dann wieder steigen. "Wir bekommen nur noch kurze Verträge mit jeweils höheren Prämien", sagt Verbandsfrau Jaschke. Konnte sich eine freiberufliche Hebamme, die auch Geburten begleitet, im Jahr 2002 laut Verband noch für 453 Euro versichern, so zahlt sie derzeit 4242 Euro, von Juli an sogar mehr als 5000 Euro jährlich.

Die Krankenkassen haben auf das Problem reagiert und den Hebammen zuletzt eine höhere Vergütung zugestanden, die die gestiegenen Prämien berücksichtigt. Doch was nutzt das, wenn sich am Ende keine Versicherung mehr findet? Der Verband fordert eine politische Lösung, etwa eine Höchstgrenze, bis zu der Hebammen haften dürfen. Eine solche Regel gibt es etwa in den Niederlanden. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat den Hebammen im Wahlkampf persönlich versprochen, sich zu kümmern. Eine Arbeitsgruppe aus mehren Ministerien prüft derzeit verschiedene Hilfen für die Hebammen.

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