Verschiedene Fettarten:Eine Abnehmpille alleine kann die Probleme nicht lösen

Auf der Suche nach einer Antwort wurde schließlich noch eine weitere, dritte Fettart entdeckt. Deren Zellen enthalten deutlich mehr Mitochondrien (die Kraftwerke einer Zelle) als weißes Fett, weshalb sie etwas trüber erscheinen. Ihr neuer Name: brite fat, eine Wortneuschöpfung aus "brown-in-white", also braun-weiße Zellen. Zu Deutsch: beiges Fett.

Diese Zellen erweisen sich als besonders wandelbar. In Ruhezeiten ahmen sie weißes Fett nach, bei Kälte jedoch schalten sie auf Wärmeproduktion um, in der Medizin als Thermogenese bezeichnet. Verschiedene Messungen haben gezeigt, dass schlanke Menschen weniger weißes und mehr beiges Fett in sich tragen. Würde es also gelingen, weißes in beiges Fett zu verwandeln, zum Beispiel durch ein Medikament, könnte dies vielen Menschen das Abnehmen erleichtern.

Und hier kommt wieder die Kälte ins Spiel: Versuche mit Mäusen konnten zeigen, dass die Tiere in frostiger Umgebung tatsächlich vermehrt beiges Fett produzieren. Kälte scheint also ein Reiz zu sein, der diese Umwandlung bewirkt. Skifahren in der Badehose würde möglicherweise beim Menschen einen ähnlichen Effekt erzielen, scheint aber als Abnehmstrategie nicht massentauglich zu sein.

Noradrenalin löst die Produktion beiger Fettzellen aus

Gegenwärtige Forschungsprojekte konzentrieren sich daher auf die Frage, wie man den Kälteeffekt nachahmen kann - also: Welche Botenstoffe im Körper lösen die Produktion beiger Fettzellen aus? Diskutiert werden beispielsweise Stresshormone wie Noradrenalin, das Peptidhormon Irisin oder der Viagra-Wirkstoff Sildenafil. Alexander Pfeifer, Leiter der Pharmakologie an der Universität Bonn sieht Chancen, dass einer dieser Signalwege irgendwann einmal in Form eines Medikaments zur Anwendung kommen könnte.

Er warnt gleichwohl vor zu hohen Erwartungen: Noradrenalin zum Beispiel wirkt auf den gesamten Kreislauf und steigert bei hohen Dosen den Blutdruck. Erleidet der Patient während seiner Diät aber einen Herzinfarkt, ist diese Strategie medizinisch sicherlich nicht gerechtfertigt. Für eine Abnehmpille im klassischen Sinne also - Packung auf, Wasserglas, Schluck, schlank - bedarf es noch Jahre an Forschung.

Ziel der Untersuchungen ist übrigens keineswegs nur eine Pille als kleines Hilfsmittel für die ideale Strandfigur zum Sommerurlaub. Stimmen die Berechnungen, und daran bestehen im Moment wenig Zweifel, könnten bis zum Jahr 2025 mehr als eine Milliarde Menschen fettleibig sein. Schon heute ist Übergewicht einer der entscheidendsten Risikofaktoren für Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes. Die Folgeerkrankungen sind Nervenleiden und Nierenversagen, letztlich ein körperlicher Totalschaden.

In der Wissenschaft ist die Rede ist von einer weltweiten Adipositaspandemie, deren Folgekosten die Gesundheitssysteme ganzer Staaten in die Knie zwingen könnten. Allerdings ist das weltweite Adipositasproblem vielschichtig; hier spielen Armut, geringe Bildung und auch psychische Krankheiten weitere entscheidende Faktoren. Dass eine Abnehmpille diese gewaltigen Probleme lösen wird, darf bezweifelt werden.

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