Süddeutsche Zeitung

Vergiftungen:Tückische Pilze

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Es reicht nicht, Giftpilze zu meiden. Gefahren lauern auch bei der Lagerung, Zubereitung und selbst bei der Auswahl der Getränke zum Pilzessen. Vor welchen Fehlern Sie sich hüten sollten, erklärt der Toxikologe Florian Eyer.

Von Berit Uhlmann

Professor Florian Eyer leitet die Abteilung für Klinische Toxikologie am Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München sowie den Giftnotruf München.

Süddeutsche.de: Kommen Pilzvergiftungen nur bei Sammlern vor oder können auch Pilze von Händlern oder in Restaurants gefährlich werden?

Florian Eyer: Prinzipiell ist es nicht ausgeschlossen, dass sich im Angebot eines Händlers giftige oder ungenießbare Pilze befinden. Anders als beispielsweise in der Schweiz und in Italien wird in Deutschland die Ware vor dem Verkauf nicht systematisch begutachtet. Doch in der Praxis kommen Vergiftungen bei gekauften Pilzen so gut wie nie vor.

Dann können Kunden also nichts falsch machen, wenn sie Waldpilze kaufen?

Giftpilze werden sie in dem Fall wahrscheinlich nicht zu sich nehmen. Aber auch essbare Pilze können Beschwerden verursachen, wenn sie falsch gelagert oder fehlerhaft zubereitet werden.

Wie sollte ich Waldpilze aufbewahren?

Sie sollten in einem offenen Behälter an einem trockenen und kühlen Ort lagern - und zwar so kurz wie möglich, maximal einen Tag. Pilze verderben leicht, das heißt, Bakterien wie beispielsweise Staphylokokken vermehren sich auf ihnen rasant. Damit drohen typische Lebensmittelvergiftungen mit Durchfall und Erbrechen, wie sie auch bei anderen Speisen vorkommen.

Welche Fehler kann man bei der Zubereitung machen?

Viele Menschen braten Pilze nur sehr kurz an. Waldpilze wie Maronen und Steinpilze sollten jedoch 15 bis 20 Minuten durchgegart werden. Ansonsten sind sie schwer verdaulich. Auch in diesem Fall drohen Magen-Darm-Beschwerden.

Nun habe ich frische, essbare Pilze ausgiebig gegart. Dann müssten doch alle Gefahren gebannt sein ...

Die Kombination von Pilzgerichten und Alkohol kann zu Unverträglichkeitsreaktionen führen. Wie anfällig Menschen dafür sind, ist indidividuell sehr unterschiedlich. Einige Pilze wie der Faltentintling führen aber fast bei jedem Menschen zu derartigen Reaktionen: Der Kopf wird sehr rot, das Herz kann rasen und der Blutdruck ansteigen. Auch Erbrechen kann auftreten.

Wie gefährlich kann all das werden?

In der Regel sind die Beschwerden bei essbaren Pilzen nicht bedrohlich. Schwere Fälle von Durchfall und Erbrechen sollten aber behandelt werden.

Woher weiß ich, ob ich an einer eher harmlosen Reaktion auf verdorbene Pilze leide oder nicht vielleicht doch einen Giftpilz erwischt habe?

Eine erste Einschätzung ermöglicht der Zeitpunkt der Beschwerden. Sind Pilze nur verdorben, setzen die Symptome in der Regel schon nach ein bis zwei Stunden ein. Unverträglichkeitsreaktionen beginnen ein bis vier Stunden nach der Mahlzeit. Dagegen dauert es beispielsweise bei einer Vergiftung durch einen Knollenblätterpilz eher sechs Stunden und länger, bis sich Anzeichen zeigen. Dennoch sollten Sie bei Beschwerden nach einer Pilzmahlzeit den Giftnotruf wählen und Experten die Einschätzung überlassen.

Die meisten schweren Vergiftungen in Deutschland gehen auf den Knollenblätterpilz zurück. Wie äußert sich die Vergiftung?

Neben Übelkeit und Erbrechen haben Betroffene sehr starke wässrige Durchfälle, sie verlieren massiv Flüssigkeit. Es kann außerdem zu einem Leber- und Nierenversagen kommen.

Wie reagiert man in solchen Fällen?

Betroffene oder Angehörige sollten sich sofort an den Giftnotruf wenden. Dort werden sie höchstwahrscheinlich den Rat bekommen, sich schnell in ärztliche Behandlung zu begeben. Wir raten davon ab, Erbrechen auszulösen. Die Wirkung ist zweifelhaft, vor allem wenn die Mahlzeit schon lange zurückliegt. Wirkungsvoller ist Aktivkohle, die möglichst frühzeitig gegeben werden sollte. Alle anderen Hausmittel sind unnötig oder gar schädlich.

Sollten Betroffene tatsächlich das Corpus Delicti, also Speisereste, einsammeln?

Nach Möglichkeit sollten Pilzreste, zur Not auch Erbrochenes aufgehoben werden. Kliniken haben dann die Möglichkeit, einen Pilzsachverständigen hinzuzuziehen, der den Pilz unter dem Mikroskop bestimmen kann.

Wie kommt es, dass Menschen immer wieder Pilzvergiftungen erleiden?

Die Pilzkenntnis wird überschätzt. Ein häufiger Fehler ist auch, mit einem Pilzbestimmungsbuch loszuziehen. Die Welt der Pilze ist so komplex, dass man alleine durch den Fotoabgleich keine sicheren Erkenntnisse gewinnt. Sammler sollten nur solche Pilze mitnehmen, bei denen sie sich absolute sicher sind. Im Zweifelsfall sollten sie immer einen Pilzsachverständigen hinzuzuziehen.

Weiterführende Informationen:

  • Der Giftnotruf für den Münchner und bayerischen Raum hat die Nummer: 089-19240.
  • Pilzsachverständige bieten Beratungen in Rathäusern oder anderen öffentlichen Orten an. In der Regel sind sie kostenfrei. Auskünfte über die nächstgelegene Beratungsstelle geben unter anderem die Stadtverwaltungen.
  • Pilzberater oder -Sachverständige bieten mitunter auch Kurse an, auf den Sammler mehr Sicherheit gewinnen können.

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