Lange Zeit galten Vitamintabletten als gesund, als Vorbeugung und wirksames Mittel gegen Leiden wie Herzkrankheiten oder sogar Krebs. Seit einigen Jahren hat ihr Ruf allerdings stark gelitten. Sie helfen offenbar kaum oder gar nicht und in manchen Fällen erhöhen sie sogar das Sterberisiko.
Selbst von der Wirksamkeit von zusätzlichem Vitamin D, das die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) seit Kurzem Senioren und Menschen, die sich wenig in der Sonne aufhalten, empfiehlt, sind nicht alle Experten überzeugt.
Jetzt deutet eine der bislang größten Studien darauf hin, dass Multivitamin-Präparate einen positiven Effekt haben könnten. Wie US-Mediziner im Journal of he American Medical Association berichten, scheinen die entsprechenden Mittel das Krebsrisiko für ältere Männer zu verringern.
Die Forscher um Michael Gaziano von der Harvard Medical School in Boston haben Daten von mehr als 14.600 Ärzten ausgewertet, die über einen Zeitraum von im Schnitt 11,2 Jahren täglich eine gewöhnliche Multivitaminpille oder ein Scheinpräparat genommen hatten. Von den Medizinern, die zu Studienbeginn alle mindestens 50 Jahre alt waren, litten in der Vitamin-Gruppe schließlich 17 von 1000 Teilnehmern an einer Form von Krebs, während es in der Vergleichsgruppe 18 waren.
Insgesamt lag die Häufigkeit von Krebs bei Männern, die ein Multivitaminpräparat nahmen, etwa acht Prozent unter derjenigen in der Placebo-Gruppe. Keine Auswirkungen zeigten sich allerdings in Bezug auf das Risiko, Prostatakrebs zu entwickeln.
"Auch wenn der Hauptgrund für die Multivitaminaufnahme die Vorbeugung von Mangelernährung ist", schreiben die Wissenschaftler, "unterstützen die Daten die Annahme, dass die Ergänzung der Nahrung mit Multivitaminpräparaten bei der Vorbeugung von Krebs bei Männern mittleren Alters oder älter nützlich sein kann."
Allerdings, so sagte Gaziano der New York Times, gebe es andere Methoden, die effektiver vor Krebs schützen dürften als eine tägliche Dosis Multivitamine. "Es wäre ein großer Fehler, wenn jetzt jemand anfängt, Multivitamine zu nehmen, anstatt mit dem Rauchen aufzuhören oder andere Dinge zu tun, die wir eher im Verdacht haben, eine wichtige Rolle zu spielen", so Gaziano. "Etwa eine vernünftige Ernährung und ausreichend Bewegung." Auch solle man Sonnenschutzmittel benutzen.
Für die allgemeine Gesundheit könne der Effekt, den seine Kollegen beobachet haben, von großer Bedeutung sein, sagte Robert Greenberg vom Fred Hutchinson Cancer Research in Seattle der US-Zeitung - auch wenn es nur ein kleiner Effekt sei. "Abgesehen vom Aufgeben des Rauchens gibt es kaum etwas, das gezeigt hat, dass es das Krebsrisiko um fast zehn Prozent verringert."
Doch es gibt noch skeptischere Stimmen. So sagte Helga Groll von der britischen Organisation Cancer Research UK der BBC, obwohl die Studie darauf hindeute, dass Männer während des Versuchs ein etwas niedrigeres Krebsrisiko hatten, wenn sie Multivitamine nahmen, "können wir nicht sicher sein, ob das ein echter Effekt ist oder nur Zufall." Viele andere große Studien hätten gezeigt, dass Vitamine und Mineralstoffe als Nahrungsergänzungsmittel nicht vor Krebs schützen. In manchen Fällen scheine das Risiko sogar zuzunehmen.
Sie bleibt dabei, der beste Weg, sich ausreichend mit diesen Stoffen zu versorgen, sei eine gesunde, ausgewogene Ernährung mit vielen verschiedenen Früchten und Gemüsesorten."
Auch Marji McCullough von der Amercian Cancer Society betont in der New York Times, die Aussagekraft der Studie für die Allgemeinheit sei begrenzt. Schließlich seien nur männliche Mediziner untersucht worden - und damit besonders gesunde Personen und kaum Raucher.
Vorsichtig reagieren auch Verbraucherschützer auf solche Studien, denn sie werden häufig finanziell von Herstellern der entsprechenden Präparate unterstützt.
Tatsächlich konnten Gaziano und seine Kollegen nicht nur auf Gelder des National Institute of Health zurückgreifen, sondern auch einen Zuschuss von BASF, eine, Chemiekonzern, der Vitamine herstellt. Darüber hinaus wurden die verwendeten Multivitaminpillen vom Pharmaunternehmen Pfizer zur Verfügung gestellt, wie die Autoren in Jama angeben. Sie weisen jedoch darauf hin, dass die Sponsoren ihre Arbeit nicht beeinflusst hätten.