Das Gift schmeckt herrlich und es ist aus Kuchen, Desserts und Naschzeug nicht wegzudenken. Täglich landet es in Mund und Magen von Erwachsenen wie Kindern, aber wenn es nach Stoffwechselexperten aus den USA geht, ist es einer der größten Killer überhaupt.
Bis zu 35 Millionen Todesfälle weltweit sollen jährlich indirekt auf das Konto eines Stoffes gehen, der für viele Menschen das Leben erst lebenswert macht: Zucker. Deshalb warnen Kinderärzte und Gesundheitsforscher der University of California in San Francisco vor der süßen Gefahr und fordern eine so strenge Kontrolle wie für Alkohol und Tabak.
Im Fachblatt Nature vom heutigen Donnerstag verrät ein Team um Robert Lustig die "giftige Wahrheit" über Zucker (Bd. 482, S. 27, 2012). Erstmals hatten die Vereinten Nationen 2011 mitgeteilt, dass der Anteil nicht übertragbarer Leiden wie Herzinfarkt, Krebs oder Diabetes jenen der Infektionskrankheiten übertrifft. Fehlernährung, Übergewicht und Bewegungsmangel tragen dazu bei.
"Es gibt immer mehr wissenschaftliche Beweise dafür, dass Fruktose etliche chronische Krankheiten auslösen kann und giftig für die Leber ist", schreibt das Team um Lustig. "Ein bisschen Zucker ist zwar kein Problem, aber viel Zucker tötet - wenn auch nur langsam."
Eine ausgewogene Ernährung sei zwar wichtig, aber es bestehe kein Grund, jede Süßigkeit gleich zu verteufeln, betonen Mediziner aus Deutschland. "Wer sein Gewicht hält, kann täglich eine Tafel Schokolade essen und erhöht damit sein Risiko für Diabetes nicht", sagt Felix Beuschlein, Stoffwechselexperte an der Ludwig-Maximilians-Universität München. "Es geht bei Gesundheitsfragen eher um die Menge der Kalorienaufnahme und des -verbrauchs und nicht nur um das, was man isst, wenn die Ernährung halbwegs vielseitig ist."
Unterschätzte Kalorien
Genau dies sei den US-Forschern zufolge das Problem. Der Zuckerkonsum habe sich in den vergangenen 50 Jahren mehr als verdreifacht und vielen verarbeiteten Lebensmitteln werde Fruktose zugesetzt, so die Mediziner. Dieser bearbeitete Zucker ist besonders in Maissirup enthalten und der wird in den USA Softdrinks als hochkalorisches Süßungsmittel beigefügt.
Das Fruktose-Glukose-Gemisch greift stärker in den Insulin-Stoffwechsel ein und da es von Amerikanern und Europäern in großen Mengen konsumiert werde, könne es tatsächlich zu einem weiteren Anstieg von Fettstoffwechselstörungen, Leberschäden, Diabetes, Übergewicht, Bluthochdruck und Infarkten führen, befürchten die kalifornischen Ärzte - damit sei die Gefahr durch Zucker vergleichbar mit den Gesundheitsschäden durch Alkohol.
Wir wollen ja kein Verbot", sagt Laura Schmidt, Ko-Autorin des Artikels. "Wir möchten nur, dass Zucker weniger leicht verfügbar ist." Evolutionär betrachtet sei Zucker für die Urahnen des Menschen nur wenige Monate im Jahr in Form von Früchten zugänglich gewesen.
"Heute ist Zucker billig, überall zu haben, schmeckt und verkauft sich gut - für Hersteller besteht daher kein Anreiz, etwas zu ändern." Den meisten Konsumenten falle es zudem schwer, den Energiegehalt der Naschereien zu erkennen, so dass jenen kontinuierliche Gewichtszunahme und Gesundheitsrisiken drohen, die auf Süßes abonniert seien. "Man unterschätzt die Menge Kalorien, die in stark zuckerhaltigen Getränken und Lebensmitteln enthalten sind", sagt Beuschlein.