Sars-CoV-2:Von Wuhan in die Welt

Sars-CoV-2: Wuhan: Forscher gehen davon aus, dass hier ein Zwischenwirt den Erreger auf den Menschen übertragen hat.

Wuhan: Forscher gehen davon aus, dass hier ein Zwischenwirt den Erreger auf den Menschen übertragen hat.

(Foto: AP)

Tiere, Tiefkühlprodukte oder ein Laborunfall? Ein von der WHO entsandtes Team hat in China den Ursprung der Corona-Pandemie erkundet. Die Untersuchung fand in politisch aufgeheiztem Klima statt.

Von Berit Uhlmann

Am 8. Dezember 2019 erkrankte im chinesischen Wuhan ein Mensch an einer Lungenentzündung. Als Ursache wurde später ein Virus ausgemacht, das damals noch unbekannt, heute aber Milliarden Menschen vertrauter ist, als ihnen lieb ist: Sars-CoV-2. Der Patient ist der erste bestätigte Fall dessen, was ein von der WHO entsandtes Expertenteam als "explosiven Ausbruch" bezeichnete. Doch war dies wirklich der erste Patient? Der erste Ausbruch? Was war in jenen Spätherbstwochen im Osten Chinas geschehen? Das waren die Fragen, mit denen der Trupp im Januar in das Ausbruchsgebiet gereist war.

34 Wissenschaftler - die Hälfte von ihnen Chinesen - hatten sich auf die lange vorbereite, zäh verhandelte und zeitweilig verschobene Tour begeben. Zugleich hatten sie umfangreiche Daten und Studien gesichtet, die ihnen erlauben, verschiedene Hypothesen zumindest abzuwägen. Nun liegt ihr Abschlussbericht vor.

Am wahrscheinlichsten ist demnach, dass Sars-CoV-2 aus dem Tierreich stammt. Fledermäuse und Pangolins gelten als die hauptverdächtigen Wirte. Bislang aber wurden in diesen Säugern jedoch keine Viren gefunden, die Sars-CoV-2 so sehr ähneln, dass sie als dessen direkte Vorgänger gelten könnten, heißt es in dem Report. Damit wird die These wahrscheinlicher, dass ein Zwischenwirt den Erreger auf den Menschen übertragen hat. Nerze, Hasen, Waschbären, Katzen oder Zibetkatzen kommen unter anderen infrage.

Wann es zu dem Sprung gekommen ist, lässt sich nur eingrenzen. Genom-Analysen des Erregers deuten auf einen Zeitraum zwischen Ende September und Anfang Dezember hin, wobei Mitte bis Ende November als etwas wahrscheinlicher gilt. Diese Schätzung wird von epidemiologischen Untersuchungen gestützt. In den Routinedaten, die Forscher prüften, konnten sie vor Dezember 2019 keine Auffälligkeiten entdecken. Sterbe- und Krankenhausstatistiken, Erfassung von Atemwegserkrankungen, Auswertungen von verkauften Fieber- und Erkältungsmitteln deuten dem Bericht zufolge nicht auf ein ungewöhnliches Infektionsgeschehen im Sommer oder Herbst hin. In Proben, die im zweiten Halbjahr 2019 von chinesischen Patienten mit Atemwegserkrankungen genommen worden waren, fand sich bei einer erneuten Untersuchung kein Sars-CoV-2. Wenn der Erreger schon im Herbst zirkulierte, dann wahrscheinlich nur auf niedrigem Niveau, so die Schlussfolgerung.

Die These des Laborunfalls wurde weitgehend verworfen

Der Ort des Übersprungs bleibt bislang offen. Lange wurde ein Tiermarkt in Wuhan verdächtigt, auch der erste dokumentierte Patient hatte sich dort aufgehalten, ebenso wie die Hälfte der 174 Covid-Erkrankten aus dem Dezember. Eine Verbindung zwischen diesen Menschen und bestimmten Tieren oder Produkten des Marktes konnte jedoch nicht gefunden werden. Proben von Tieren des Marktes waren negativ. Damit ist auch möglich, dass der viel besuchte Platz nicht Ursprung der Pandemie, sondern Ort eines frühen Superspreading-Events war.

Als möglich, aber nicht wahrscheinlich wird die vor allem in China verbreitete These bewertet, dass das Virus mit Tiefkühlprodukten in das Land eingeschleppt wurde. Prinzipiell kann Sars-CoV-2 zwar in oder auf tiefgekühlten Lebensmitteln überdauern; derartige Ware wurde auch auf dem Markt in Wuhan verkauft. Doch noch immer gibt es keinen Beweis, dass sich Menschen auch anstecken, wenn sie diese Produkte essen oder mit ihnen hantieren.

Als "extrem unwahrscheinlich" wiesen die Autoren dagegen die Hypothese zurück, dass die Pandemie durch einen Laborunfall verursacht wurde. Zwar hatten drei Labore in Wuhan an Coronaviren geforscht. Doch unmittelbar vor dem Ausbruch habe es den Erkenntnissen zufolge keine Forschung an Viren gegeben, die Sars-CoV-2 stark ähneln.

Zudem arbeiteten die Labore auf der höchsten oder zweithöchsten Sicherheitsstufe, waren dem Report zufolge "gut geführt" und überwachten die Gesundheit ihrer Angestellten regelmäßig. Bei keinem Mitarbeiter waren früh Symptome einer Covid-Erkrankung aufgefallen. Auch spätere Antikörpertests hätten keine Infektionen unter Labormitarbeitern feststellen können.

Gar nicht erst untersucht wurde die Möglichkeit, dass das Virus absichtlich in Umlauf gebracht wurde. Diese Idee sei bereits durch andere Wissenschaftler auf der Basis von Genomanalysen ausgeschlossen worden, schreiben die Autoren in ihrem Bericht. Forscher hatten zudem darauf hingewiesen, dass andere Erreger als Biowaffe wohl wirkungsvoller seien.

Die Untersuchung fand in politisch aufgeheiztem Klima statt. Kritiker argwöhnen, dass China den Experten nicht jeden gewünschten Zugang gewährte und bei der Erstellung des Berichts Druck ausübte. Teilnehmer wiesen dies allerdings zurück. Die niederländische Virologin Marion Koopmans, die dem Team angehörte, sagte, sie hätte die Atmosphäre nicht so empfunden. "Es ging nun einmal um eine sehr komplexe Untersuchung", sagte sie, die brauche Zeit. Teamleiter Peter Ben Embarek räumte allerdings in der Zeitschrift Science ein: "Die Politik stand immer im Raum."

Nach Erscheinen des Reports kritisierten die USA und 13 weitere Länder in einer gemeinsamen Erklärung, dass sich die Untersuchung so lange verzögert hatte und die Teilnehmer nicht zu sämtlichen Daten Zugang gehabt hätten. Zu den Unterzeichnern gehören unter anderem Australien, Kanada, Dänemark und Großbritannien.

WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus kündigte derweil weitere Untersuchungen aller, selbst der weniger wahrscheinlichen Hypothesen an. Keine einzelne Forschungsreise könne alle Antworten liefern, sagte er: "Der Bericht ist ein sehr wichtiger Anfang, aber nicht das Ende".

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