Noch ist es nicht mehr als eine Anregung, über eine Maßnahme nachzudenken, mit der sich die öffentliche Gesundheit verbessern lassen könnte. Doch sie ist so weitgehend, dass in britischen Medien bereits darüber berichtet und die Idee im Netz aufgeregt diskutiert wird: Dicke Menschen oder solche mit einer ungesunden Lebensweise könnten mit Kürzungen der Sozialhilfe oder beim Wohngeld dazu gedrängt werden, Sport zu treiben.
Der Vorschlag ist eines der Ergebnisse von runden Tischen des Stadtrats der City of Westminster, einem Stadtbezirk Londons, mit dem britischen Think Tank Local Government Information Unit (LGiU). Unter einer ganzen Reihe von Empfehlungen und Überlegungen heißt es, dass viele Behörden es bereits jetzt Ärzten erlaubt hätten, Patienten körperliche Aktivitäten wie Schwimmen, Fitness, Yoga oder Walking zu "verschreiben".
Wer sich hier verweigert, den könnten "finanzielle Anreize" motivieren - oder vielmehr die Gefahr, dass ihm finanzielle Unterstützung durch die Gemeinde vorenthalten würde. "Wo einem Bürger körperliche Bewegung verschrieben wurde, könnten Zahlungen oder Steuervorteile 'variiert' werden", heißt es in dem Bericht ' A Dose of Localism'.
Ob Patienten tun, was der Arzt verschrieben hat, ließe sich den Fachleuten zufolge mit einer Chipkarte überwachen, wie sie zum Beispiel in Fitness-Studios bereits verwendet würden.
Ein Sprecher des Stadtrats von Westminster erklärte dem Guardian zufolge, der Vorschlag folge dem Ansatz "Zuckerbrot und Peitsche". Und Jonathan Carr-West von LGiU zufolge führten solche Maßnahmen zu einer "Win-Win-Situation". Es sei ihnen darum gegangen, innovative Wege zu finden, um einerseits den betroffenen Menschen zu helfen, die möglicherweise später teure Behandlungen in Anspruch nehmen müssten. Anderseits ließen sich so öffentliche Gelder zu sparen, sagte er der BBC.
Experten sind von dem Einfall nicht besonders begeistert: Lawrence Bruckman von der British Medical Association (BMA) erklärte dem britischen Sender, er habe den Vorschlag zuerst für einen Witz gehalten. Die Empfehlungen "gehören zu den dümmsten Dingen, von denen ich seit langem gehört habe", sagte er. Der beste Weg für den Stadtrat sei, Restaurants und Fast-Food-Ketten daran zu hindern, dickmachende Nahrungsmittel anzubieten und Einfluss darauf zu nehmen, wie solche Lebensmittel in Geschäften angeboten werden.
Auch die Sprecherin der britischen Organisation Big Matters, die sich um Belange Übergewichtiger kümmert, hält nichts von dem Vorschlag aus Westminister. "Es wäre fairer, mit dem Geld den Menschen zu helfen anstatt sie zu bestrafen", sagte Susannah Gilbert der BBC. "Eine Fast-Food-Generation braucht langfristige Unterstützung."
Reaktion auf die Gesundheitsreform
Aufgrund der Gesundheitsreform der britischen Regierung stehen die Gemeinden ab April vor einer großen Herausforderung: Ein großer Teil der Verantwortung, die Gesundheitsversorgung in den Regionen sicherzustellen, geht vom staatlichen Gesundheitsdienst (NHS) auf örtliche Behörden über. Noch ist allerdings unklar, wie viel Geld die einzelnen Gemeinden erhalten werden - und nach welchen Kriterien.
In Westminister hofft man jedenfalls, mit Maßnahmen wie jenen aus dem LGiU-Report einen Teil jener fünf Milliarden Pfund zu sparen, die im Vereinigten Königreich jährlich aufgrund von Krankheiten ausgegeben werden, die mit Übergewicht zusammenhängen.
"Der Bericht beinhaltet genau jene Sorte glänzender, nach vorn gedachter und radikaler Ideen, die man sich anschauen muss", erklärte Philippa Roe, Vorsitzende des Stadtrats von Westminister, der BBC. "Die möglichen Verbesserungen für die öffentliche Gesundheit und das Staatssäckel könnten erheblich sein."
In der britischen Bevölkerung dürfte die Empfehlung mit Skepsis aufgenommen werden - wie jeder Eingriff, der als Zwang oder Bevormundung wahrgenommen wird. Im Forum des Guardian wird bereits lebhaft darüber diskutiert, ob solche Maßnahmen wirklich zu sinnvolleren Gesundheitsausgaben führen können - und wie wirksam zum Beispiel der Besuch von Fitnessstudios tatsächlich ist. Den muss man sich schließlich auch leisten können.