Süddeutsche Zeitung

Tumorerkrankungen:Der Tribut des Krebses

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Wie viele Lebensjahre kostet der Krebs weltweit? Wie viele Jahre verbringen Patienten in großem Leid? Europäische Forscher haben dieses Ausmaß berechnet. Es ist enorm - und in Teilen vermeidbar.

Werner Bartens

169 Millionen Jahre Gesundheit. Das ist der Preis, den Krebserkrankungen rund um den Globus kosten. 169 Millionen Jahre leben die Menschen weltweit in der Summe kürzer oder leiden, weil sie an bösartigen Tumoren sterben oder Einschränkungen dadurch ertragen müssen.

Im Fachmagazin Lancet (online) vom heutigen Dienstag haben europäische Krebsforscher die Belastungen durch Tumoren ausgewertet. In ihre Analyse flossen nicht nur Todesfälle und die durch Tumoren verkürzte Lebenserwartung ein, sondern auch Jahre mit Krankheitsbelastungen - etwa wenn die Brust aufgrund eines Tumors entfernt werden musste oder Frauen nach der Behandlung von Gebärmutterhalskrebs keine Kinder mehr bekommen können.

Das Team um Isabelle Soerjomataram vom Krebsforschungsinstitut IARC in Lyon hatte die Daten von Krebsregistern und Krankenstatistiken in 184 Ländern für das Jahr 2008 ausgewertet. Demnach fordern Dickdarmkrebs sowie Tumoren von Lunge, Brust und Prostata weltweit die meisten Jahre. "In Ländern mit niedrigem Einkommen überwiegt die frühe Sterblichkeit", sagt Soerjomataram. "In reicheren Ländern leiden die Menschen hingegen länger unter Behinderungen und anderen gesundheitlichen Einschränkungen."

Die größte Krankheitslast fällt der Anallyse zufolge auf Männer in Osteuropa und Russland. Krebsformen, wie Tumoren der Leber, des Magens und des Gebärmutterhalses, die auch auf eine Infektion mit Viren oder Bakterien zurückgeführt werden können, sind anteilig besonders häufig in Asien und in Afrika südlich der Sahara. Die Forscher haben zudem beobachtet, dass sich bessere Therapiemöglichkeiten nicht wesentlich auf die Überlebensdauer mit Krebsarten ausgewirkt haben, die mit einer schlechten Prognose einhergehen, beispielsweise Tumoren von Lunge, Leber, Magen und Bauchspeicheldrüse.

Neu ist an der Auswertung, dass die Forscher nicht nur die Verteilung der 7,6 Millionen Todesfälle durch Krebs pro Jahr untersucht haben, sondern auch das Ausmaß des Leidens, das ein Leben mit Krebs bedeuten kann. Dieser Aspekt ist besonders wichtig, da die Zahl der Betroffenen stetig zunimmt: Schätzungen zufolge wird die Zahl der Neuerkrankungen von 12,7 Millionen im Jahr 2008 auf ungefähr 21,4 Millionen neue Krebsdiagnosen im Jahr 2030 ansteigen, der Großteil davon in Entwicklungs- und Schwellenländern.

Welche Chancen schon in einfachen Veränderungen liegen, zeigt Ahmedin Jemal von der Amerikanischen Krebsgesellschaft im Lancet: Mehr als eine Million Krebstote jährlich sind auf Nikotinkonsum zurückzuführen, Bewegungsmangel und massives Übergewicht befördern ebenfalls manche Tumoren. Würde hiergegen vorgegangen und zudem die Impfung gegen Hepatitis B intensiviert, ließen sich viele Tumoren vermeiden.

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Quelle:
SZ vom 16.10.2012
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