Süddeutsche Zeitung

Transplantationsmedizin:Eltern spenden Sohn Teile ihrer Lungen

Es ist eine Premiere für Deutschland: Chirurgen aus Hannover haben zum ersten Mal eine Lebend-Lungenspende vorgenommen. Ein elfjähriger Junge erhielt Teile der Lungen von seinen beiden Eltern.

Marius war elf Jahre alt, als an Herumtoben, Spielen, Fahrradfahren nicht mehr zu denken war. Der Junge aus dem Sauerland litt an Mukoviszidose. Bei dieser Krankheit werden Körperflüssigkeiten zäh und verstopfen allmählich die Lunge. Marius konnte zum Schluss nicht mehr selbstständig atmen, eine Herz-Lungenmaschine erhielt ihn am Leben. Eine Transplantation war seine letzte Chance.

Doch Spenderlungen gibt es viel zu wenige, 2011 wurden insgesamt nur 313 Lungen von Verstorbenen entnommen. So entschlossen sich die Eltern, Teile ihrer Lunge herzugeben. Sie spendeten je einen Lungenlappen. Jeder Mensch hat fünf Lungenlappen, drei im rechten, zwei im linken Lungenflügel.

Bei der Operation, die bereits im April dieses Jahres erfolgt war, arbeiteten 15 Chirurgen der Medizinischen Hochschule Hannover parallel in drei OP-Sälen. Einige Ärzte entnahmen zunächst der Mutter den Lungenlappen. Ein anderes Team implantierte dieses Teilorgan ihrem Sohn, während das dritte Ärzteteam den Lungenlappen des Vaters entnahm. "Die Operationen sind gut verlaufen, die Eltern konnten das Krankenhaus nach zehn Tagen verlassen", teilte die Klinik am Mittwoch mit. Auch Marius gehe es gut. Er könne heute wieder Fahrradfahren.

Lebend-Lungenspenden sind selten. Die erste Transplantation dieser Art wurde 1990 in den USA durchgeführt. Umfangreichere Erfahrungen gibt es vor allem aus Japan. Dort seien in einem Zeitraum von zehn Jahren mehr als 70 Lungen-Lebendspenden vorgenommen worden und es habe sich gezeigt, dass die langfristigen Überlebensraten sehr gut seien, bilanzierte die Medizinische Hochschule Hannover.

Dennoch warnte die Klinik vor zu großen Hoffnungen in die Lungen-Lebendspende. Zum einen seien die Voraussetzungen nicht leicht zu erfüllen: Für einen Empfänger braucht man zwei Spender, sowohl die Blutgruppen wie die Größe der Lungenlappen müssen zum Patienten passen. Zudem seien die Risiken "sehr viel höher" als bei der Lebend-Nierenspende.

"Besser wäre es, wir hätten ausreichend Spenderorgane", sagt Axel Haverich, Direktor der MHH-Klinik für Herz-, Thorax-, Transplantations- und Gefäßchirurgie. Mit Blick auf die Vorkommnisse in Göttingen und Regensburg mahnte er: "Die todkranken Patienten, die auf ein Spenderorgan warten, haben keine Lobby - und keine andere Chance. In den meisten Fällen kann nur ein Spenderorgan ihr Leben retten."

Das Transplantationsgesetz erlaubt Lebendspenden nur, wenn kein passendes Organ eines toten Spenders zur Verfügung steht. Lebendspenden sind außerdem nur unter nahen Verwandten und einander persönlich eng verbundenen Personen zulässig.

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