Organtransplantation:Wie aus einer schlechten Leber eine gute wurde

Organtransplantation: Das Ärzte-Team schließt die Spenderleber im Reinraum an die Perfusionsmaschine an.

Das Ärzte-Team schließt die Spenderleber im Reinraum an die Perfusionsmaschine an.

(Foto: USZ)

Eigentlich hätte der 62-jährige Patient keine Chance gehabt, eine Leber zu bekommen. Doch dann reparierte ein Ärzteteam ein eigentlich unbrauchbares Spenderorgan.

Von Barbara Reye

Eigentlich hätte der 62-jährige Krebspatient mit der Blutgruppe 0 keine Chance gehabt, rechtzeitig in der Schweiz eine Leber zu bekommen. "Er hätte ungefähr ein Jahr warten müssen, bis er ein Spenderorgan erhalten hätte", sagt der Lebertransplantationsexperte Pierre-Alain Clavien vom Universitätsspital Zürich. So viel Zeit hatte der Patient nicht mehr, dessen Leber von einem Tumor und einer Zirrhose zunehmend zerstört wurde. Doch im Mai 2021 konnte der Mann im Rahmen eines bewilligten individuellen Heilversuchs eine Leber transplantiert bekommen, die normalerweise aufgrund mangelnder Qualität nicht verpflanzt werden würde. "Das Organ wurde von allen Transplantationszentren abgelehnt, da es einen Tumor unklarer Natur vorwies und ein persistierender Infekt vorlag", sagt Clavien.

Nach ethischen Abklärungen und Aufklärung des Patienten über mögliche Risiken hätten sie erstmals weltweit eine normalerweise nicht mehr zu verwendende Spenderleber drei Tage außerhalb des Körpers in einer Maschine vollständig regeneriert und danach transplantiert.

Über diesen außergewöhnlichen Fall berichtet das 14-köpfige Zürcher Team, bestehend aus Medizinern, Ingenieuren und einer Biochemikerin, in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Nature Biotechnology. Der sterbenskranke Patient, der dankbar für das lebensrettende Organ sei, habe wenige Tage nach der Transplantation das Spital bereits verlassen können. Er muss derzeit nur noch gering dosierte Immunsuppressiva zur Verhinderung einer Abstoßung des transplantierten Organs nehmen.

Eine Pumpe dient als Herzersatz, ein Oxygenator ersetzt die Lungen und eine Dialyseeinheit die Nieren

"Wir haben mit unserer Publikation so lang gewartet, um seinen Gesundheitszustand ein Jahr lang genau zu beobachten", sagt Clavien. Es wäre fatal gewesen, die Technologie voreilig zu feiern, wenn der Patient vielleicht zwei Monate nach der Transplantation gestorben wäre. Doch dem Mann gehe es heute, ein Jahr nach der OP, weiterhin gut.

Erst durch eine neue, den menschlichen Körper imitierende Maschine konnte die Spenderleber durch Zugabe von diversen Medikamenten, darunter insbesondere auch Antibiotika, wieder fit gemacht werden. Vor zwei Jahren hatte es ein multidisziplinäres Team in Zürich geschafft, eine Leber sogar eine Woche lang mithilfe der sogenannten Perfusionsmaschine am Leben zu erhalten.

Das Gerät liefert dem Spenderorgan ideale Bedingungen: Eine Pumpe dient als Herzersatz, ein Oxygenator ersetzt die Lungen und eine Dialyseeinheit die Nieren. Daneben übernehmen zahlreiche Hormon- und Nährstoffinfusionen die Funktionen des Darms und der Bauchspeicheldrüse. Die Apparatur ist so konstruiert, dass sie die Spenderleber zudem wie das Zwerchfell im menschlichen Körper im Takt der Atmung bewegt.

Die mehrtägige Perfusion, also die maschinelle Durchblutung des Spenderorgans, erlaubte im aktuellen Fall eine zielgerichtete antimikrobielle Therapie gegen die Infektion mit Bakterien und Pilzen. Zudem entfernte das Team den Tumor großflächig und ohne den sonst üblichen Zeitdruck. Normalerweise bleiben maximal zwölf Stunden, um eine Leber zu verpflanzen.

"Ohne die Transplantation hätte der einstige Tumorpatient nur eine Überlebensprognose von wenigen Monaten gehabt", sagt Clavien. Mit der neuen Technologie hofft er, dass in Zukunft weitere Organe mit mangelnder Qualität doch transplantiert werden können. Generell mangelt es weltweit an Spenderorganen.

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