Toxikologie:Krebsgefahr aus weißer Farbe?

städtische Berufsschule für Farbe und Gestaltung weißelt Wohnung von Frau El Harti in Garching. Adventskalender

Beim Renovieren der Wohnung besteht nach derzeitigen Kenntnissen keine Krebsgefahr.

(Foto: Florian Peljak)

Es ist in Wandfarben, Sonnenmilch und Kaugummis enthalten: Das weiße Pigment Titandioxid steht im Verdacht, Krebs auszulösen. Ein Grund zur allgemeinen Beunruhigung ist das dennoch nicht.

Von Hanno Charisius

Das gängigste Weißpigment, Titandioxid, sollte nach Auffassung der Europäischen Chemikalienagentur Echa als "möglicherweise krebserregend" eingestuft werden. Es ist Bestandteil von Wandfarben, Kosmetikprodukten und Lebensmitteln - und trotzdem sehen Experten in der Empfehlung der Behörde in Helsinki keinen Grund zur Beunruhigung, jedenfalls nicht für die Allgemeinbevölkerung, die das Pigment an Zimmerwände oder auf die Haut streicht. Laut Echa besteht der Krebsverdacht bislang nur für inhaliertes Titandioxid und auch das nur, wenn sehr große Mengen in die Lunge gelangen. Damit kommt die Echa zu einem ähnlichen Ergebnis wie das Krebsforschungsgremium IARC der Weltgesundheitsorganisation vor gut zehn Jahren.

Trotz der empfohlenen Einstufung in die Kategorie zwei für Stoffe mit "Verdacht auf eine Wirkung" sehen die Echa-Experten keine Gefahr in Titandioxid-haltigen Kaugummis oder Zahnpasten. Auch Sonnenmilch gilt ihnen als unverdächtig. Für problematisch erachten sie hingegen Staubpartikel, die so klein sind, dass sie tief in die Lungen geraten können. Menschen, die in der Titandioxid-Produktion arbeiten, die den Stoff verpacken oder weiterverarbeiten, sind höheren Gefahren ausgesetzt.

Eingeatmet verursacht das Pigment vielleicht Krebs. Auf der Haut schützt es vor Tumoren

Die Entscheidung hält der Toxikologe Uwe Heinrich daher für "nachvollziehbar und berechtigt". Sie sei begründet durch die "im Tierexperiment bei Ratten festgestellten Lungentumoren nach inhalativer Exposition gegenüber Titandioxid in hohen Konzentrationen", erklärt der ehemaliger Leiter des Fraunhofer-Instituts für Toxikologie und Experimentelle Medizin in Hannover. Die Echa hat sich - so wie sie es immer macht - allein die Eigenschaften der Substanz angeschaut. Wie stark Menschen dem Stoff ausgesetzt sind, spielte bei der Beurteilung keine Rolle. Die Empfehlung der Echa ist deshalb nicht als Risikobewertung zu verstehen.

Dass die Hersteller des Pigments gegen das Echa-Urteil protestieren würden, war zu erwarten. Aber auch einige unabhängige Experten können die neue Einordnung nicht nachvollziehen. "Wenn man Titandioxid als Feinstaub inhaliert, dann scheint das im Tierversuch Lungenkrebs zu verursachen", so weit kann Ulrike Diebold von der Technischen Universität Wien der Echa folgen. Die Physikerin erforscht unter anderem die physikalischen und chemischen Eigenschaften des Pigments. "Dies scheint aber weniger am Titandioxid selber zu liegen, sondern eher daran, dass es einfach nicht gut ist, wenn man kleine Partikel einatmet." Wenn diese nicht gut löslich seien, könnten sie sich in der Lunge ansammeln und dort Entzündungen auslösen, die Tumoren verursachen können. Doch das gilt für praktisch jede Art von Staub mit kleinen Partikeln, entsprechend müsste die Echa-Bewertung auch für viele andere pulverförmige Stoffe gelten.

Außer für Menschen, die beruflich hohen Mengen Titandioxid-Staubs ausgesetzt sind, gibt Diebold Entwarnung: "Es gibt aber keinerlei Hinweise darauf, dass Titandioxid Krebs erzeugt, wenn es gegessen oder auf die Haut geschmiert wird. Im Gegenteil: Als Pigment ersetzt es das früher verwendete, giftige Bleioxid, und in Sonnencremes schützt es vor krebserregender UV-Strahlung. Im täglichen Leben kann man Titanoxid daher ruhig weiterverwenden." Die Echa hatte Titandioxid geprüft, nachdem die französische Behörde für Lebensmittelsicherheit, Umwelt- und Arbeitsschutz, gefordert hatte, das Pigment in die Kategorie 1B einzuordnen, die für Stoffe mit einer "vermutlich krebserregenden" Wirkung gilt. Stoffe, die nachweislich kanzerogen sind, werden in Kategorie 1A geführt.

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