Mehr als 40.000 Artikel liegen in einem durchschnittlichen deutschen Supermarkt aus. Welche davon taugen etwas? Was nützt, was schadet der Gesundheit? Wie sinnvoll sind Bio-Nahrungsmittel und welche Werbefallen stellt die Lebensmittelindustrie dem Konsumenten? In regelmäßiger Folge bewerten wir hier weit verbreitete Lebensmittel für Sie. Teil 3: Rindfleisch.
Als Steak, als Braten, als Gulasch - Rindfleisch kommt in Deutschland gerne auf den Teller, besonders beliebt ist es zu feierlichen Anlässen. Etwa 1,2 Millionen Tonnen Rindfleisch wurden nach Angaben des Statistischen Bundesamts 2011 in Deutschland produziert. Dafür wurden insgesamt 3,7 Millionen Rinder geschlachtet.
Dabei ist der Konsum von Rindfleisch alles andere als unbedenklich. Wer täglich ein Hauptgericht mit rotem Fleisch zu sich nimmt, hat ein erhöhtes Risiko für Herzinfarkt, Schlaganfall, Diabetes und Krebsleiden und verringert damit seine Lebenserwartung deutlich. Zu diesem Ergebnis kommen Wissenschaftler der US-Universität Harvard in einer aktuellen Studie. Die Forscher hatten zuvor mehr als 37.000 Männer und 83.000 Frauen seit den 1980er Jahren in ihrer Ernährung beobachtet. Die erhöhte Menge an gesättigten Fettsäuren, Eisen und Salz durch tierische Nahrungsmittel begünstigen diese gesundheitlichen Folgen.
Gänzlich auf Rindfleisch verzichten sollten Konsumenten dennoch nicht. Wer rotes Fleisch auf dem Speiseplan gelegentlich durch Gemüse, Fisch oder Geflügel ersetzt und nur noch einmal wöchentlich zu Rindfleisch greift, kann dieses auch bewusst genießen, ohne seiner Gesundheit zu schaden, denn Rindfleisch ist auch ein wertvoller Lieferant von Eiweiß, Eisen, Zink und B-Vitaminen.
Doch Rindfleisch ist nicht gleich Rindfleisch. Qualität, Preis, Ökobilanz - was der Kunde am Ende kauft, unterscheidet sich oft deutlich.
- Wie kann ich gutes Rindfleisch optisch erkennen?
"Die Qualität von Rindfleisch hängt von vielen Faktoren ab: Der Rasse des Rinds, der Fütterung, der Reifung des Fleisches und dem Zuschnitt", sagt Wolfgang Lutz vom Deutschen Fleischer-Verband.
Äußerlich erkennbar ist: "Das Fleisch muss eine kräftige Farbe haben. Es muss ein bisschen marmoriert wirken, wenn es ganz mager ist, wird es schnell trocken. Wenn ein Fettrand vorhanden ist, sollte der möglichst weiß sein, nicht grau." Ein weiteres Indiz, auf das Klaus Troeger, Leiter des Instituts für Sicherheit und Qualität beim Fleisch am Max-Rubner-Institut achtet: "Das Fleisch sollte nicht im eigenen Saft liegen, sondern trocken aussehen."
Ist das günstigere Fleisch im Supermarkt grundsätzlich schlechter als das in der Metzgerei nebenan? Markus Wolter, Referent für Tierhaltung und Agrarrohstoffe beim WWF, sieht das skeptisch: "Es gibt Metzger, die kaufen ihr Fleisch bei denselben großen Schlachthöfen wie die Supermärkte - und verkaufen es dann nur teurer." Wichtig sei hier vor allem das Vertrauen zum Metzger - deutlich nachfragen, woher das Fleisch stammt, hilft. Auch Wolfgang Lutz vom Fleischer-Verband hebt die Beratungskompetenz der Metzger hervor.
Qualitätsunterschiede beim Fleisch lassen sich aber vor allem in der Art der Verpackung ausmachen. Kann eine offene Fleischtheke in einem Supermarkt qualitativ durchaus mit einer kleinen Metzgerei mithalten, sieht das an der Selbstbedienungstheke schon wieder anders aus.
Klaus Troeger vom Institut für Sicherheit und Qualität beim Fleisch unterscheidet hier zwischen drei verschiedenen Verpackungsarten: Rindfleisch in Vakuum-Verpackung ist für ihn die hochwertigste Variante. Rindfleisch in einer Schale, überzogen mit einer so genannten Skinfolie, die sich wie eine zweite Haut über das Fleisch zieht ("Das ist die zweitbeste Variante, das Fleisch ist 2-3 Tage haltbar.") und Rindfleisch in einer Schale, mit einer Art Frischhaltefolie "unter Schutzatmosphäre" verpackt. Letzteres sei die häufigste Variante in deutschen Supermärkten, das Fleisch hält sich darin zehn bis zwölf Tage. Genau das geht aber auch mit qualitativen Einbußen einher.
Hinter dem nebulösen Begriff "unter Schutzatmosphäre verpackt" verbirgt sich eine Behandlung des Fleisches mit einem Gasgemisch aus Sauerstoff, Kohlendioxid und Stickstoff. "80 Prozent des Gemisches sind Sauerstoff. Der bewirkt, dass das Fleisch länger frisch aussieht und seine rote Farbe behält. Aber gleichzeitig wird das Fleisch zäher und flacht aromatisch ab", sagt Troeger.
Genau das bemängelt auch Andreas Winkler, Sprecher von Foodwatch. "Für den Verbraucher klingt es harmlos, wenn auf abgepacktem Fleisch steht 'unter Schutzatmosphäre verpackt'", sagt er. Was das wirklich bedeute, wüssten die Wenigsten. Foodwatch und die Verbraucherzentrale fordern deshalb einen deutlicheren Hinweis - und im besten Falle ein Verbot von Packgasen zur Schönung des Fleisches.
Wo Rindfleisch draufsteht, ist zwar im Regelfall auch Rindfleisch drin - doch von welcher Rasse es stammt, erfährt der Kunde im Supermarkt nicht. Auch lohnt die Nachfrage: Denn die Rasse bestimmt zu einem Großteil, wie schmackhaft und zart das Rindfleisch am Ende ist. Es gibt Fleischrassen unter den Rindern, die nur wegen ihres Fleisches gezüchtet werden, also keine Milch geben müssen. Sie haben mehr Muskeln und ihr Fleisch ist in der Regel marmorierter als das von Milchkühen.
Als gute Fleischrassen empfiehlt das Institut für Sicherheit und Qualität bei Fleisch das aus Frankreich stammende Limousinrind, das Hereford-Rind oder das Deutsch-Angus. "Die haben feinere Muskelfasern und eine bessere Fleischqualität als beispielsweise das bayerische Fleckvieh, das wir überwiegend bei uns im Handel haben. Das ist ein typisches Zweinutzungsrind, es wird auch zur Milchproduktion gehalten. Die Fleisch-Qualität ist von der Genetik her nicht optimal", sagt er.
Ein weiterer Aspekt, der vielen Kunden in Deutschland nicht bewusst ist: die Herkunft der Futtermittel. Ein Teil einer Bullenmastration besteht aus Sojaschrot und wird aus Lateinamerika, vor allem Brasilien, Argentinien, Paraguay und Bolivien angekauft. "Dieses Sojaschrot ist meist gentechnisch verändert, wurde in Monokultur unter hohem Einsatz von Pestiziden angebaut und hat in den jeweiligen Ländern die Rodung zahlreicher Wälder und die Umwandlung von Grasland zu Ackerland zur Folge", erläutert WWF-Mann Wolter.
Problem: Für den Verbraucher in Deutschland ist nicht ersichtlich, mit welchen Futtermitteln sein Rind gefüttert wurde. "Wenn das Produkt nicht direkt an den Verbraucher geht, muss es nicht gekennzeichnet werden." Während das Futter, das der Landwirt erhält, also noch markiert ist, fehlt beim Fleisch ein entsprechender Hinweis. Verbraucher, die ausschließen wollen, dass gentechnisch verändertes Futter für die Produktion ihres Rindfleisches verwendet wurde, sollten deshalb auf Fleisch mit dem "Ohne-Gentechnik-Siegel", Neuland- oder Bio-Zertifikat zurückgreifen, rät Wolter.
"Wenn ich konventionell produziertes Rindfleisch im Supermarkt kaufe, muss ich davon ausgehen, dass gentechnisch verändertes Sojaschrot verwendet wurde." ( Welches Gütsiegel welche Kriterien anlegt, können Sie hier nachlesen) In der Bio-Rinderzucht wird ein geschlossener Nahrungskreislauf angestrebt, das heißt das Futter kommt größtenteils vom eigenen Hof.
Auch was die Haltung der Tiere angeht sei der Unterschied zwischen konventioneller Rindermast und Bio-Betrieben hoch, betont Wolter vom WWF. Während in der konventionellen Rindermast die Tiere durchgängig auf Betonboden mit Stroh oder Vollspaltenboden ohne Stroh stehen, auf dem sie Klauen- und Gelenkprobleme bekommen können, schreibt die EU-Ökoverordnung Zugang zur Weide vor - entweder ganzjährig oder zumindest in den Sommermonaten. "Meist handelt es sich im Bio-Bereich um die klassische Mutterkuhhaltung auf kleineren Bauernhöfen mit Weiden drumherum", sagt er.
In der konventionellen Mast stehen Mastbullen einer Studie aus NRW zufolge im Durchschnitt 2,4 Quadratmeter Bewegungsfläche zur Verfügung. Empfohlen werden mindestens drei Quadratmeter - das Bio-Siegel schreibt je nach Größe der Tiere vier oder fünf Quadratmeter vor.
Ob sich durch die Haltung auch die Qualität des Fleisches verbessert, bezweifelt Klaus Troeger vom Max-Rubner-Institut für Sicherheit und Qualität beim Fleisch jedoch. "Wenn ich ein Tier zwei Jahre lang auf der Weide rumlaufen lasse, ist das Fleisch zäher, als wenn ich ein Tier zwei Jahre lang im Stall füttere. Dessen Fleischqualität ist vielleicht sogar besser", sagt er.
- Was sagt das Neuland-Siegel aus?
Eine Alternative zu Bio-Siegeln ist das Neuland-Siegel, das vor allem in Norddeutschland verbreitet ist. "Hier liegt der Fokus auf der Tierfreundlichkeit", erläutert Troeger. WWF-Experte Wolter sieht das Neuland-Siegel als Mittelweg zwischen konventioneller Mast und Bio-Aufzucht. Anders als Bio-Landwirte dürfen Neuland-Bauern herkömmliche Futtermittel verwenden - sofern sie nicht genverändert sind - und ihre Felder mit Pestiziden behandeln. "Aber da kann man davon ausgehen, dass es den Tieren gutging", sagt er.
Maßgeblichen Einfluss auf Geschmack und Zartheit von Rindfleisch hat die Reifung. Anders als Schweinefleisch kann Rindfleisch nicht als Frischfleisch verkauft werden. Damit es zart wird, sollte es mehrere Wochen abhängen und reifen. Bei der traditionellen Trockenreifung hängt das Fleisch am Knochen zwei bis drei Wochen bei null bis zwei Grad in einer Kühlhalle. "Das Fleisch trocknet in der Zeit äußerlich ab und wird dunkler. Außerdem verliert es bis zu 20 Prozent Wasser. Fleisch aus dem Supermarkt, das nicht lange gereift wurde, wässert oft in der Pfanne stark aus. Das passiert bei trocken gereiftem Fleisch nicht", erklärt Troeger.
Doch gut abgehangenes Fleisch hat in Deutschland auch seinen Preis. Lagerraum und Kühlung sind teuer, vor allem weil auch die Knochen mitgekühlt werden müssen. "Im Supermarkt finden Sie derart traditionell gereiftes Fleisch kaum noch", sagt Troeger.
Als Alternative hat sich die Reifung im Vakuumbeutel (Nassreifung) etabliert. Das Fleisch wird entbeint und dann vakuumiert. Während Fleischer-Verbands-Sprecher Lutz diese Methode als gleichwertig beschreibt, sieht Troeger in ihr durchaus Nachteile für den Verbraucher. "Es bleibt mehr Flüssigkeit im Fleisch und es entwickelt sich eine leicht säuerliche Geschmacksnote, die vielfach jedoch schon als Standard akzeptiert wird", sagt er. Sehr zart werde das Fleisch jedoch auch bei dieser Art von Reifung, die er als die "industrielle" bezeichnet. Sie ist billiger, weil weniger Lagerraum und Kühlung notwendig sind, es gibt keinen Gewichtsverlust beim Fleisch und das Produkt lässt sich locker acht bis zehn Wochen haltbar aufbewahren. "Für die Logistik und die Lagerung ist das deutlich einfacher", sagt Troeger. Nach der Trockenreifung sollte das Fleisch innerhalb von zwei bis drei Tagen verkauft werden.
- Ist argentinisches Rindfleisch besser als deutsches?
Wer "richtig gutes" Rindfleisch will, greift in der Regel zu argentinischem Fleisch. Aus gutem Grund - was den Geschmack angeht, findet WWF-Experte Wolter. "Früher wurden argentinische Rinder das ganze Jahr über auf den natürlichen endlosen Pampasweiden mit sehr viel Auslauf gehalten, sie hatten ein schönes Rinderleben. Das Fleisch wird dann vakuumiert und reift auf der Schiffsreise nach Deutschland mehrere Wochen lang. So wird es garantiert zart. Heute kommt das argentinische Rindfleisch aber vorwiegend aus sogenannten feedlots, wo die Tiere in der Mastperiode mit Kraftfutter gemästet werden und zu je 200 bis 250 Stück in einem Gatter stehen - insgesamt mit bis zu mehreren Tausend Rindern auf einer Farm. Die ehemaligen Pampas werden heute mehr und mehr umgebrochen, um darauf Soja anzubauen."
Dies ist auch ökologisch bedenklich. "Warum sollte man ein Produkt, das es auch in Deutschland gibt, Tausende Kilometer durch die Welt transportieren? Auch argentinisches Rindfleisch wird mit Kraftfutter erzeugt. Skepsis zeigt auch Daniela Krehl von der Verbraucherzentrale Bayern. "Wo in Argentinien die Rinder für den europäischen Markt grasen, kann die einheimische Bevölkerung keine eigenen Nahrungsmittel anpflanzen." Sie empfehle deshalb den Kauf von Fleisch aus der Region.
Auch Fleisch-Prüfer Troeger rät: "Für mich muss die Verzehrsqualität stimmen, ich habe nichts davon, ein Tier zu kaufen, was glücklich war, wenn ich es hinterher nicht beißen kann. Ich möchte aber auch Haltungsbedingungen haben, wo ich kein schlechtes Gewissen haben muss. Und der Preis muss auch stimmen. Diese Kriterien sehe ich persönlich bei einem regionalen Direktvermarkter in meiner Nähe erfüllt."
In dieser Serie sind bereits erschienen: Einkaufstipps für Schokolade und für Lebkuchen.