Tipps für den Einkauf von Pilzen:Im Reich der Fülle und Fatalitäten

PILZ DES JAHRES

Ein Schweinsohr: Der Pilz ist essbar, sollte dennoch nicht verzehrt werden, weil er sehr selten ist. Die Welt der Pilze ist komplex - und Fehler können fatal sein.

(Foto: DPA)

Reich an Geschmack und Vitaminen, aber unter Umständen voll von Schwermetallen, Keimen, Giften und radioaktiven Belastungen. Die Welt der Pilze ist komplex und mitunter gefährlich. Was Sie vor dem Genuss wissen sollten.

Von Berit Uhlmann

Mehr als 40.000 Artikel liegen in einem durchschnittlichen deutschen Supermarkt aus. Welche taugen etwas? Was nützt, was schadet der Gesundheit? Wie sinnvoll sind Bio-Nahrungsmittel und welche Werbefallen stellt die Lebensmittelindustrie dem Konsumenten? In dieser Serie bewerten wir weit verbreitete Lebensmittel für Sie. Teil 17: Pilze.

Es sind beeindruckende Wesen: Ihr eigentliches Leben vollzieht sich unter der Erde, wo das Wurzelgeflecht mehrere Quadratmeter einnehmen kann und von großer Bedeutung für das Ökosystem ist. Pilze sind kein schnödes Gemüse, sie sind nicht einmal Pflanzen. Sie bilden ein eigenes Reich im System der Lebewesen, das seine Geheimnisse nur langsam freigibt. Was allerdings ihre Bedeutung für den Speiseplan betrifft, passen sie doch ganz gut in das Sortiment des Gemüsehändlers. Ihr Gehalt an Kalorien, Nährstoffen und Vitaminen ist in etwa dem von Gemüse vergleichbar.

Etwa 200 Pilzarten werden weltweit in größerem Umfang gegessen, viel, viel mehr Pilze sind noch gar nicht klassifiziert, ungenießbar oder sogar giftig. Ihre Anzahl kennt niemand.

Giftpilze beim Händler?

Wer auf dem Markt seine Schwammerl kauft, muss in aller Regel keine Vergiftung fürchten. Hundertprozentige Sicherheit gibt es in Deutschland allerdings nicht. Denn die Ware wird vor dem Verkauf nicht systematisch begutachtet, sagt der Toxikologe Florian Eyer, der den Münchner Giftnotruf leitet.

Wahrscheinlicher ist, dass die Pilze radioaktiv belastet sind - ein Erbe des Reaktorunfalls von Tschernobyl. Cäsium-137 heißt das langlebige radioaktive Metall, das damals über die Luft in ein weites Gebiet bis nach Süddeutschland getragen wurde, sich im Boden ablagerte und von dort noch immer in die Pilze gelangt: Vor allem bei Trompetenpfifferlingen, Maronenröhrlingen und Mohrenkopfpilzen werden hohe Werte gemessen.

Ist das nun gefährlich? Ein einziges Pilzgericht kann es auf eine höhere Belastung bringen als alle anderen Mahlzeiten eines Jahres zusammengenommen, schreibt das Bundesamt für Strahlenschutz - und empfiehlt generell, jede unnötige Strahlenexposition zu vermeiden. Wer für sich selbst das Risiko so gering wie möglich halten wolle, sollte deshalb auf den Verzehr von hochkontaminierten Pilzen verzichten. Andererseits, so rechnet das Bundesumweltministerium vor, entspreche eine Portion selbst hoch verstrahlter Pilze nur etwa der Belastung, der sich Reisende auf einem Flug von Frankfurt nach Gran Canaria aussetzen. Eine Gesundheitsgefahr gehe von gelegentlichen Pilzgerichten nicht aus.

Schwermetalle in Steinpilzen

Pilze speichern allerdings nicht nur Cäsium-137, sondern auch Schwermetalle, die aus Auspuffen und Industrieanlagen herausgepustet werden und sich ebenfalls im Boden anlagern. So wurden in einigen wilden Champignonarten und Birkenpilzen in den vergangenen Jahren hohe Cadmiumwerte gefunden. In Maronenröhrlingen, Steinpilzen und Wiesen-Champignons war Blei hoch konzentriert. Steinpilze und Anis-Champignons nahmen zudem Quecksilber in größeren Mengen auf.

Die Konzentration der Schadstoffe schwankt je nach Fundort: In der Nähe von metallverarbeitenden Betrieben und viel befahrenen Straßen ist sie größer. Der Käufer aber erfährt in der Regel weder Fundort noch konkrete Werte. Und auch wenn er nach der Gesundheitsgefahr fragt, wird er sichere Antworten nicht bekommen. Grundsätzlich können Cadmium und Blei Leber und Nieren schädigen. Quecksilber beeinträchtigt das Nervenssystem. Doch es ist nicht klar, in welcher Menge die Schermetalle in den menschlichen Organismus gelangen oder zusammen mit den recht üppigen unverdaulichen Teilen der Pilze wieder ausgeschieden werden.

Angesichts all der Unabwägbarkeiten empfehlen die Weltgesundheitsorganisation und die Deutsche Gesellschaft für Ernährung, wöchentlich höchstens 250 Gramm Wildpilze zu essen. Eine gelegentliche größere Pilzmahlzeit gilt nicht als gefährlich.

Wer gar kein Risiko eingehen will, kann bedenkenlos auf Pilze aus Kulturen zurückgreifen. Da sie auf speziellem Substrat wachsen, nehmen sie keine Bodenschadstoffe und auch kein Cäsium-137 auf. Doch sind sie auch kulinarisch eine Option?

Wie Sie Qualität erkennen

Prinzipiell ist die Qualität der Zuchtpilze gut, sagt Harry Andersson, Pilzsachverständiger der Deutschen Gesellschaft für Mykologie. Nur: Wer sich ausschließlich für Zuchtpilze entscheidet, schränkt seine Auswahl stark ein. Lediglich einige Dutzend Pilze können bislang gezüchtet werden. In industriellem Maß werden nur etwa zehn Arten kultiviert: vor allem einige Champignons, Shiitake und Austernpilze. "Dagegen gibt es in der Natur allein 50 verschiedene Champignon-Arten", so der Experte.

Die klassischen Waldpilze wie Steinpilze und Pfifferlinge werden noch immer von Suchtrupps im Unterholz gesammelt. Die hier erhältlichen Wildpilze stammen fast ausschließlich aus Osteuropa. In Deutschland ist das Sammeln von Pilzen nur für den Eigenbedarf gestattet, gewerbliches Ernten ist nur mit Ausnahmegenehmigung möglich. Am ehesten gibt es solche Ausnahmen noch im bayerischen Wald. Wer Glück hat, findet hier Händler, die frische heimische Schwammerl im Angebot haben. Die meisten Kunden jedoch bekommen Pilze, die bereits eine weite Reise hinter sich haben. Das kann zum Problem werden.

In Waldpilzen können sich giftbildende Bakterien rasant vermehren und zum Auslöser für klassische Lebensmittelvergiftungen werden. Das Pilzfest endet dann auf der Toilette. Käufer sollten deshalb sehr genau auf Frische achten.

So testen Sie die Frische

  • Meiden Sie fest verschweißte Schachteln. Denn Pilze können Sie am besten einschätzen, wenn Sie sie von allen Seiten anschauen und daran riechen. Außerdem sammelt sich unter Folien Feuchtigkeit, die den Verderb beschleunigt. Auch Druckstellen begünstigen das Keimwachstum. Achten Sie daher auf unbeschädigte und feste Pilze.
  • Pfifferlinge: Frische erkennt man bei ihnen zum einen am Geruch: Ein Duft nach Aprikosen ist ein sehr gutes Zeichen. Ebenfalls von Frische zeugt, wenn der Pilz gelb, trocken und eher brüchig ist. Dunkle Verfärbungen an Huträndern und Stielenden sprechen für einen älteren Pfifferling. Ein schlechtes Zeichen sind braune Stellen. "Dort hat bereits Verwesung eingesetzt", erläutert Andersson. Solche Pilze sollten nicht mehr gegessen werden.
  • Steinpilze: Schauen Sie unter den Hut. Sind die Röhren auf der Unterseite weiß bis buttergelb, ist er sehr frisch. Grünliche Röhren verraten ein schon etwas älteres Exemplar. "Das kann man in Kauf nehmen, wenn das innere Fruchtfleisch noch in Ordnung ist", sagt Andersson. Es sollte rein und weiß aussehen. Um dies kontrollieren zu können, ist der Kauf bei jenen Händlern empfehlenswert, die die Steinpilze anschneiden.
  • Zuchtchampignons: Auch bei ihnen verrät ein Blick unter den Hut die Frische. Ist er geschlossen oder hat sehr helle, meist rosafarbene Lamellen, ist der Pilz frisch. Je dunkler die Lamellen sind, desto älter ist der Pilz. Champignons mit schwarzbrauen Lamellen sollten weggeworfen werden.

Getrocknet, eingefroren, in der Büchse - Was bleibt von den Pilzen?

Frische Kulturchampignons können bis zu fünf Tage kühl und trocken gelagert werden, so Andersson. Waldpilze sollten dagegen am besten noch am Tag des Kaufes, höchstens aber einen Tag später gegessen werden. "Sollte dies nicht möglich sein, ist es günstiger die Pilze zuzubereiten und das fertige Gericht im Kühlschrank zu lagern", so der Experte. Dort hält es sich einige Tage.

Omas Küchenweisheit, Pilze dürften niemals aufgewärmt werden, ist längt überholt, bestätigt auch Toxikologe Eyer. Es ist auch möglich, Pilze einzufrieren. Ein fertiges Gericht übersteht den Tiefkühlschrank besser als frische Pilze, so der Experte.

Wem das alles zu mühselig ist, kann zu getrockneten Pilzen greifen. Derart konservierten Steinpilzen bescheinigt Experte Andersson ein sehr intensives Aroma: "Es ist sogar stärker als das von frischen Pilzen und beispielsweise für Saucen gut geeignet". Pfifferlinge verlieren dagegen an Geschmack. Wenig hält der Fachmann von Pilzen in Gläsern oder Büchsen. "Sie sind in der Regel in Salzlake eingelegt; der Eigengeschmack geht dabei verloren. Was bleibt, sind Gummipropfen".

Weiterführende Informationen:

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: