Tipps für den Einkauf von Kaffee:Unterschätztes Gebräu

A Christie's employee poses with Roy Lichtenstein's artwork 'Cup of Coffee' and the Lequesne Coffee Pot a George II silver coffee pot with mark of Paul de Lamerie, London 1738,  at Christie's auction house in London

Kaffee als Kunst: Diese Werke wurden vor Kurzem für einen Millionenbetrag versteigert. Auch das Getränk selbst kann edel sein, wenn man es zu schätzen weiß.

(Foto: REUTERS)

Kaffee lastete lange Zeit schwer auf dem Gewissen seiner Konsumenten. Hatten sie doch das Gefühl, sich stetig dem Herzinfarkt entgegenzutrinken. Heute weiß man: Es stimmt nicht die Bohne. Und das Getränk kann weit edler sein als die braune Brühe aus der Büro-Kanne.

Von Berit Uhlmann

Mehr als 40.000 Artikel liegen in einem durchschnittlichen deutschen Supermarkt aus. Welche davon taugen etwas? Was nützt, was schadet der Gesundheit? Wie sinnvoll sind Bio-Nahrungsmittel und welche Werbefallen stellt die Lebensmittelindustrie dem Konsumenten? In regelmäßiger Folge bewerten wir hier weit verbreitete Lebensmittel für Sie. Teil 15: Kaffee.

"Ohne Gaffee gönn mer nich gämpfen!" Der einstige Streikruf der Kaffeesachsen aus dem Siebenjährigen Krieg ist noch heute das tägliche Motto von Millionen Menschen. Mittlerweile müssen sie nicht mehr fürchten, mit ihrer Liebe zu dem braunen Getränk schnurstracks dem Herzinfarkt entgegenzutreiben. Kaffee hat in den vergangenen Jahren einen großen Freispruch erfahren.

Als amerikanische und spanische Wissenschaftler die Lebenswege von mehr als 130.000 Menschen über einen Zeitraum von bis zu 24 Jahren verfolgten, konnten sie keinerlei Zusammenhang zwischen Kaffeekonsum und tödlichen Erkrankungen wie Krebs oder Herzleiden zeigen. Selbst wer sechs Tassen Kaffee täglich trank, hatte keinen frühzeitigen Tod zu befürchten.

Ähnliches ergab 2012 eine große Studie aus Deutschland: Die Daten von fast 43.000 Menschen deuten darauf hin, dass bis zu vier Tassen Kaffee pro Tag das Risiko für Herz-Kreislauf- und Krebserkrankungen nicht erhöhen. Die Studie ergab sogar Hinweise, dass Kaffee vor Diabetes schützen könnte. Andere Untersuchungen schließen einen Schutz vor Parkinson-Erkrankung und Leberkrebs nicht aus.

Ist Kaffee also das neue Obst, das täglich auf den Speiseplan gehört? Anna Flögel vom Deutschen Institut für Ernährung, die an der deutschen Untersuchung mitgewirkt hat, ist vorsichtig: "Man kann aus unserer Studie schließen, dass gesunde Erwachsene, die gerne Kaffee trinken und ihn gut vertragen, dies auch weiterhin tun können. Daraus abzuleiten, dass man Kaffee trinken soll, um sich vor Diabetes zu schützen, wäre voreilig."

Denn die Erkenntnisse stammen aus Beobachtungsstudien, die Wirkungen wurden bei Menschen registriert, die freiwillig Kaffee tranken. Ob derartige Effekte auch eintreten, wenn Menschen ganz unabhängig von Vorlieben, Verträglichkeiten und Vorerkrankungen zum Kaffeekonsum animiert werden, müsste erst noch in lang laufenden und damit teuren Interventionsstudien geprüft werden. Wem der Kaffee Magenschmerzen, Sodbrennen oder Nervosität beschert, sollte also weiterhin die Finger davon lassen.

Warum raubt Kaffee nicht allen Menschen den Schlaf?

Kaffee ist der Muntermacher schlechthin. Den schnellsten Koffein-Kick bringt schwarzer Kaffee auf weitgehend leeren Magen. Im Schnitt tritt der wachmachende Effekt nach 30 Minuten ein und hält dann 2,5 bis fünf Stunden an, wie die Pharmakologin Karin Nieber in ihrem Buch "Schwarz und stark" beschreibt. Bei Rauchern allerdings reduziert sich die Wirkdauer um 30 bis 50 Prozent.

Die meisten Menschen schlafen schlecht ein, wenn sie abends noch Kaffee trinken. Dennoch gibt es diese erstaunlichen Zeitgenossen, die achselzuckend noch in der Nacht zum doppelten Espresso greifen: Was für Schlafschwierigkeiten? Die Unempfindlichkeit für Kaffee liegt offenbar in ihren Genen - und hat eine Kehrseite: Müssen diese Menschen einmal sehr lange wach bleiben, hilft ihnen Kaffee nicht weiter. Ihre Konzentration schwächelt in solchen Situationen stärker als die von normalen Kaffeekonsumenten.

Von Arabica bis Schockröstung: Die Qualität

Auf dem Weg vom Kaffeestrauch zur dampfenden Tasse liegen viele Arbeitsschritte, von denen jeder einzelne die Qualität beeinflusst. Vieles kann der Käufer nicht einschätzen, geschweige denn zur Grundlage seiner Entscheidung machen. Am ehesten bieten folgenden Punkte Orientierung.

Die Kaffeesorte: Arabica oder Robusta?

Robusta wird hauptsächlich für Espresso verwendet. Für den Filterkaffee ist der mildere und koffeinärmere Arabica geeigneter, sagt Heiko Rehorik, Generalsekretär der Deutschen Röstergilde, in der sich Spezialitätenröster zusammengeschlossen haben. Hersteller, die allein diese teurere Sorte verwenden, werben meist mit einem offensiven "100 Prozent Arabica"-Aufdruck. Das Versprechen halten sie auch ein, wie sowohl Stiftung Warentest als auch Ökotest bestätigten. Ein Garant für oberste Qualität ist der Anteil jedoch nicht zwangsläufig. "Es gibt auch unter den Arabica-Sorten große Qualitätsunterschiede", sagt Rehorik.

Und: Es existieren enorme Geschmacksunterschiede. "Die Vielfalt an Kaffees ist noch viel umfrangreicher als die von Wein", ist Leopold Edelbauer überzeugt, der deshalb in Wien ein Kaffeeinstitut gründete und seither Kaffee-Sommeliers ausbildet.

Wer diese Vielfalt kosten möchte, muss allerdings zu Spezialhändlern gehen. Für die preiswerten Supermarkt-Kaffees werden laut Stiftung Warentest in der Regel Bohnen aus fünf bis zehn verschiedenen Anbaugebieten zusammengemischt. Heraus kommt meist ein Einheitsgeschmack. Während der Deutsche Kaffeeverband seinen Produkten "sehr große Geschmacksnuancen" bescheinigt, ergab die Untersuchung von Stiftung Warentest, dass 21 von 31 Kaffees im Wesentlichen gleich schmecken.

Röstung: Schonend oder Schockröstung?

Die Kaffeebohnen geben ihr Aromen erst unter der dem Einfluss von Hitze frei. "Schonendere Röstung entfaltet die Aromen besser", sagt Heiko Rehorik. Auch Wissenschaftler bestätigen, dass mildere Temperaturen differenzierte, und zwar eher fruchtige, nussige und kakaoartige Aromen freisetzen, während starkes Rösten einen überwiegend bitteren, angebrannten und sauren Geschmack hervorbringt. Eine größere Chance auf sanfte Behandlung der Bohnen haben Kunden in handwerklich arbeitenden Röstereien. In Großrösterein kann laut Edelbauer alles vorkommen - von der sanften bis zur Schockröstung.

Frische: die große Unbekannte

"Kaffee ist ein Frischeprodukt", sagt Rehorik. Selbst unter Vakuumverpackung verlieren geröstete Bohnen erheblich an Aroma, stellten Verkoster in einer Studie der Universtät Wien fest: Nach neun Monaten schmeckte der Kaffee weniger intensiv, nach 18 Monaten bekam er sogar eine ranzige Note. Wie alt der industriell hergestellte Kaffee in seinem Einkaufskorb ist, kann der Käufer jedoch nicht wissen. Die Hersteller legen fest, für welchen Zeitraum die Mindesthaltbarkeit gilt und differieren dabei zwischen sechs und 24 Monaten. Spezialitätenläden geben dagegen meist das Röstdatum an.

Mahlen: Selber mahlen oder Pulver kaufen?

Wer je an frisch gemahlenem Kaffee vorbeikam, weiß, dass er meterweit duften kann. Dass zeugt davon, wie schnell sich die aus den Bohnen freigesetzten Aromen verflüchtigen. Edelbauer hat für vorgemahlenen Kaffee daher nur ein Wort übrig. Er ist für ihn "das Letzte". Rehorik bekräftigt: "Wer seinen Kaffee unmittelbar vor dem Zubereiten mahlt, hat den größten Geschmack zu erwarten." Handmühlen sind am besten geeignet, es gibt sie mittlerweile auch in moderner Ausführung zu kaufen.

Kochen: Kaffeemaschine oder Handfilter?

Röchelnd, keuchend und mit längeren Verschnaufpausen spuckt Omas alte Kaffeemaschine ihr mäßig warmes Wasser auf den Edelkaffee. Keine angenehme Vorstellung. Rehorik hält denn auch nur von hochwertigen Kaffeemaschinen etwas. Leistungsstarke Maschinen sorgen für ausreichend heißes Wasser und verteilen es möglichst gleichmäßig auf dem Kaffee. Gute Ergebnisse erzielt man auch mit der preiswerten französischen Kaffeepresse oder einem schlichten Handfilter.

Letztlich gilt: Wer nichts weiter als einen schnellen Muntermacher braucht, ist mit einem preiswerten Mahlkaffee gut beraten. Wer mehr Genuss will, muss Zeit und Geld investieren. Ein Kilogramm Kaffee aus einer Spezialrösterei kostet 20 bis 30 Euro.

Bio- und fairer Kaffee - Ein schwieriges Terrain

Lastwagen in Guatemala wird mit Kaffee beladen

Der handwerkliche Kaffeenanbau ist Schwerstarbeit.

(Foto: REUTERS)

Die permanent heizende Kaffeemaschine gehört in vielen Haushalten und Büros zur festen Ausstattung. Wie gut lässt sich da das Gewissen beruhigen, greift man zu Bio- oder fairgehandeltem Kaffee, der meist auch ökologische Kriterien berücksichtigt. Doch leider ist es so einfach nicht.

Relativ sicher kann sich der Verbraucher sein, dass die Produzenten von zertifiziertem Kaffee tatsächlich mehr Geld erhalten als die Bauern, die konventionell wirtschaften. Dennoch reicht dieses Plus in vielen Fällen nur knapp, um die mit dem Bio-Anbau einhergehende Mehrarbeit und Ertragseinbußen auszugleichen. Untersuchungen sprechen dafür, dass von den zusätzlichen Vergütungen eher große, gut geführte Kooperationen mit hohen Erträgen profitieren.

Wer dagegen als Kleinstbauer anfängt, bleibt dies ein Leben lang, so das ernüchternde Ergebnis mehrerer Studien. Und dieses Kleinbauerntum hat in vielen Fällen nichts mit einer idyllischen Familienfarm zu tun, sondern mit schierer Armut. In Nicaragua leben knapp 45 Prozent der Menschen, die zertifizierten Kaffee anbauen, unter der absoluten Armutsgrenze. Unter den konventionellen Kaffeebauern sind 31 Prozent derart mittellos, so eine Studie der Universität Hohenheim.

Agarchemikalien verschlechtern die Umweltbilanz

Überzeugender scheinen die Auswirkungen der Bio- und Fairtrade-Siegel auf die Ökobilanz zu sein. Denn den größten Posten im ökologischen Fußabdruck verursachen nicht der Transport, sondern die Agrarchemikalien der konventionellen Landwirte. Bauern, die nach Ökokriterien arbeiten, bringen weniger Pestizide und Kunstdünger auf ihren Feldern aus und verbessern damit die Bilanz.

Den zweitgrößten Posten in der Ökobilanz hat der Verbraucher selbst in der Hand. Es ist die Zubereitung des Kaffees in Deutschland. Sie ist vor allem dann bedenklich, wenn permanent laufende Kaffeemaschinen oder die in der Regel teuer produzierten Kapseln verwendet werden. Die meisten Kapseln verursachen noch dazu sehr viel Müll.

Gerade für Kaffeetrinker könnte sich unökologisches Verhalten empfindlich rächen. Kaffeesträucher reagieren sensibel auf klimatische Veränderungen. Steigende globale Temperaturen und zunehmende Wetterextreme könnten die Bohnen schon in den kommenden Jahrzehnten immer rarer werden lassen.

Alle Teile dieser Lebensmittelserie finden Sie hier.

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