Tipps für den Einkauf von Honig:Bittersüße Bienenernte

Das Interesse an der Imkerei nimmt zu

Neonikotinoide stehen seit längerem im Verdacht, das weltweite Bienensterben mitzuverursachen.

(Foto: dpa)

Gerade im Herbst wird Honig als Gesundheitselexier gepriesen. Viele der angeblichen Wirkungen sind übertrieben. Honig ist dennoch zu empfehlen - aus einem viel umfassenderen Grund.

Von Berit Uhlmann

Mehr als 40.000 Artikel liegen in einem durchschnittlichen deutschen Supermarkt aus. Welche taugen etwas? Was nützt, was schadet der Gesundheit? Wie sinnvoll sind Bio-Nahrungsmittel und welche Werbefallen stellt die Lebensmittelindustrie dem Konsumenten? In dieser Serie bewerten wir weit verbreitete Lebensmittel für Sie. Teil 21: Honig.

Wie gut lässt sich mit seiner Natürlichkeit werben! Tropfen für Tropfen saugen Bienen den Nektar aus der üppigen Vielfalt der Blüten und verwandeln ihn ganz ohne Chemie in die süße Köstlichkeit. So wie die Biene ihn schuf, müssen die Imker den Honig belassen. "Natur pur", das muss man ehrlicherweise hinzufügen, bedeutet meist auch: Honig enthält nicht nur den mehrfach geschluckten und wieder aus dem Insektenleib gespienen Nektar, sondern auch die Darmausscheidungen von Blattläusen. Die Bienen lecken sie auf - mit einer Zunge, die Alfred Brehm in seinem "Tierleben" sehr plastisch beschreibt: "Die Zunge kann so lang sein, dass sie während des Nichtgebrauchs unter dem Kopf zusammengeklappt getragen werden muss."

Die Läusezutat ist kein Grund zur Beunruhigung. Problematischer ist ein weiteres natürliches Ingrediens, das in seltenen Fällen auch im Honig enthalten ist: das Bakterium Clostridium botulinum. Dieser Erreger kann sich in der noch unausgereiften Darmflora von Neugeborenen leicht ansiedeln und Gifte freisetzen. Die Folge ist der so genannte Säuglingsbotulismus, eine Vergiftung, die bis zur Atemlähmung führen kann. Kinder unter einem Jahr sollten deshalb niemals Honig bekommen. Die Warnung gilt allerdings nicht für Kekse oder Breie mit Honig. Hier müssen die Hersteller garantieren, dass die Keime bei der Herstellung abgetötet werden. Größere Kinder und Erwachsene können das Bakterium dagegen leicht abwehren.

Dass dieses Bakterium im Honig überleben kann, ist zugleich ein Indiz dafür, dass dessen vielbeschworene keimtötende Wirkung ihre Grenzen hat. Tatsächlich fügen die Bienen dem Honig allerlei Stoffe hinzu, die Erreger abtöten, sonst würde er in den Waben verderben. Dennoch ist die Heilwirkung des Honigs nichts so gigantisch, wie von Anhängern der Naturheilkunde gerne dargestellt.

So kamen zwar einige kleinere Studien zu dem Ergebnis, dass der goldene Blütensaft den Husten von Kindern lindern könnte. Doch insgesamt ist die Datenlage recht dünn, die Frage nach seiner Wirksamkeit bleibt offen. Da die meisten Kinder Honig sehr mögen, spricht nichts dagegen, sie mit einer Honigmilch zwar vielleicht nicht zu heilen, so aber doch zu trösten.

Eine mögliche Wirkung entfaltet Honig äußerlich angewendet: Auf manche Wunden aufgetragen, scheint er die Heilung zu beschleunigen. Dennoch ist Honig aus dem Küchenschrank nicht als Hausmittel für Blessuren geeignet. Zur Wundbehandlung darf nur spezieller medizinischer Honig verwendet werden, der von allen Verunreinigungen befreit wurde. Ihn gibt es in der Apotheke und nicht im Supermarktregal.

Honig ist im Übrigen auch nicht kalorienärmer als Haushaltszucker. Im Gegenteil: Ein Esslöffel Honig bringt es auf 80 Kilokalorien, Zucker auf 60. Er ist in erster Linie ein Genussmittel. Doch ist er wirklich so natürlich rein?

Gefahr durch Gentechnik im Honig?

Honig ist ein reines Naturprodukt, und als solches nicht reiner als die Natur, aus der es stammt. So machen Bienen vor gentechnisch veränderten Pflanzen nicht halt; sie können deren Pollen aufnehmen und in ihren Honig eintragen. In Deutschland ist diese Entwicklung zur Zeit nicht zu befürchten, es gibt gegenwärtig keine Anbauflächen für gentechnisch veränderte Pflanzen. Anders sieht das mit Importhonig aus Ländern aus, in denen beispielsweise Gensoja oder -raps in großem Stil angebaut werden. Sie können durchaus Spuren der Gentechnik tragen.

Ob dies wirklich ein Problem ist, darf bezweifelt werden. Birgit Lichtenberg-Kraag, Leiterin der Honiganalyse am Länderinstitut für Bienenkunde in Hohen Neuendorf bei Berlin, sagt: Zum einen dürfen in den Honig nur Pollen von solchen gentechnisch veränderten Pflanzen kommen, die als Lebensmittel zugelassen sind. Zum anderen gelangen sie nur in winzigen Mengen hinein. Pollen machen nur 0,1 Prozent des Honigs aus, sagt die Wissenschaftlerin. Von dieser Menge dürfen nur 0,9 Prozent aus gentechnisch veränderten Pflanzen stammen, ansonsten müsste der Honig entsprechend gekennzeichnet werden und würde damit wohl kaum Abnehmer in Deutschland finden.

Pestizide sind ähnlich zu bewerten. Die Chemikalien können durchaus in den Honig gelangen. In fast 30 Prozent der Proben fanden Lebensmittelkontrolleure 2011 Rückstände von Pflanzenschutzmitteln, aber nur in einem Fall war die Höchstgrenze überschritten. Pestizide sind eine Gefahr für die Bienen, doch weniger für den Menschen, der sein Honigbrötchen verzehrt.

"Etikettenschwindel" und Einheitsgeschmack

Dass Hersteller oder Händler den Honig panschen, strecken, verdünnen, dürfte die absolute Ausnahme sein. Allerdings nehmen es nicht alle Hersteller mit der Sortenangabe so genau. Ein sortenreines Produkt, etwa ein Akazienhonig, kann teurer verkauft werden als ein Honig, der aus vielen verschiedenen Pflanzen stammt. Dafür muss die Bienenernte zu 60 Prozent von der ausgewiesenen Pflanze stammen. Wirklich sichergehen können die Produzenten nur, wenn sie den Honig analysieren lassen. Imker leisten dies nicht immer. Bei Honig aus dem Direktverkauf stimmt daher die Ausweisung in etwa der Hälfte aller Fälle nicht, hat die Wissenschaftlerin beobachtet.

Große Produzenten, die ihre Ware im Handel anbieten, testen den Honig in der Regel. Dennoch gibt es auch unter ihnen Ausreißer: Bei einer Untersuchung von Stiftung Warentest waren drei von 35 Honigen nicht wirklich sortenrein. Die Tester sprechen von "Etikettenschwindel", ein echter Qualitätsmangel ist dies jedoch nicht. Denn der Blütenhonig, der Inhaltstoffe verschiedener Pflanzen enthält, ist nicht schlechter als der Sortenhonig, er schmeckt nur anders. Birgit Lichtenberg-Kraag hält ihn sogar für interessanter, da er mehr geschmackliche Nuancen hat.

Wer stets im Supermarkt einkauft, riskiert allerdings, dass ihm diese vielfältigen Nuancen entgehen. Der im industriellen Maßstab hergestellte Honig tendiert in Richtung Einheitsgeschmack. "Viele Kunden wollen ja, dass ihr Honig immer gleich schmeckt", begründet die Forscherin das Vorgehen der Hersteller.

Vom Wert der Biene

Wer genervt nach einer Biene schlägt, sollte sich bewusst machen: Diese Tiere arbeiten für unsere Nahrung. Müsste der Mensch die Insekten bezahlen, die so emsig die Pollen von Pflanze zu Pflanze tragen, wären pro Jahr 150 Milliarden Euro fällig. Auf diese Summe zumindest bezifferten deutsche und französische Forscher den weltweiten ökonomischen Nutzen der Pflanzenbestäuber. 35 Prozent unserer pflanzlichen Nahrungsmittel verdanken wir zumindest in großen Teilen dem Wirken der Tiere. Die Honigbiene ist das wichtigste unter ihnen.

Gäbe es die bestäubenden Insekten nicht, würde der Mensch wohl nicht verhungern, denn seine Hauptnahrungsmittel Weizen, Reis und Mais brauchen die Bestäubung durch Insekten nicht. Doch der Speiseplan würde erheblich leiden. Sehr viele Obst- und Gemüsesorten, Nüsse, Kaffee und Kakao gebe es dann nicht mehr oder sehr viel seltener.

Deshalb sorgen sich nicht nur Imker darüber, dass die Bienenvölker drastisch schrumpfen. In den Wintermonaten sterben seit einigen Jahren 20 bis 30 Prozent der Bienen in Deutschland. Ganze Stöcke kollabieren. Imker geben auf. Noch immer sind die genauen Ursachen rätselhaft, eine Rolle aber scheinen Parasiten, Pestizide und ein eingeschränktes Nahrungsangebot durch Monokulturen zu spielen. Wenn im Umkreis des Bienenstocks nur Raps angebaut wird, finden die Bienen zu dessen Blütezeit im Frühjahr ein Riesen-Nahrungsangebot, danach aber kaum eine Blüte mehr.

Ein Stück weit kann jeder beitragen, solche Lücken zu schließen, indem er in seinem Garten oder Balkon Nahrung für die Insekten bereitstellt. "Ganz einfach: wenn über die ganze Saison etwas blüht, ist das gut für Honigbienen", sagt Peter Rosenkranz, Leiter der Landesanstalt für Bienenkunde an der Universität Hohenheim. Welche Pflanzen sich für Bienen und den eigenen Garten eignen, kann im Bienenweidekatalog des Landes Baden-Württemberg oder einer App des Landwirtschaftsministeriums recherchiert werden.

Rosenkranz empfiehlt vor allem Blühmischungen, die auch Wildbienen stärker mit einbeziehen: Wildbienen mit ihren fast 600 Arten in Deutschland "haben kleinere Sammelradien und oft spezifischere Ansprüche als der Generalist Honigbiene. Hier kann man also einen direkten Beitrag zur Biodiversität leisten."

Wer diese Möglichkeit nicht hat, kann beim Einkauf zu Honig aus der Region greifen. Damit stärkt er die einheimischen Imker - und ihre Bienen. Er vermeidet zugleich lange Transporte, die ökologisch bedenklich sind und noch dazu zu Qualitätseinbußen führen können. Denn bei längeren Transport- und Lagerzeiten kann der Honig zu großer Wärme ausgesetzt sein. Dies kann unter anderem zu Geschmacksveränderungen führen.

Weitere Informationen:

Was bei Erkältungen hilft.

Alle Teile dieser Lebensmittelserie.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: