Verbrechen und Krankheit:Schafft die Schusswaffen ab

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Mahnwache nach dem Massaker in El Paso. (Foto: dpa)

Donald Trump will geisteskranken Menschen den Zugang zu Waffen verwehren. Dabei sind sie meist nicht gefährlicher als Durchschnittsbürger. Sinnvoll wäre es, sich um die wirklichen Risikofaktoren zu kümmern.

Kommentar von Christian Weber

Wenn es nur Donald Trump sagen würde, könnte man die Behauptung achselzuckend ignorieren - man muss nicht jeden Blödsinn von ihm kommentieren. Doch leider ist zu befürchten, dass auch viele Menschen in Deutschland seine Ansicht teilen, die er nach den Massakern in Texas und Ohio geäußert hat: Die Täter seien geisteskranke Menschen gewesen, deshalb müsse man diesen ganz allgemein den Zugang zu Schusswaffen verwehren. Das wäre ein schlechter Grund.

Natürlich üben auch psychisch Kranke Gewalt aus. Es bringt auch nichts, wenn manche Psychiater in falsch verstandener politischer Korrektheit oder mit der guten Absicht, Stigmatisierung zu vermeiden, so tun, als gebe es überhaupt kein erhöhtes Gewaltrisiko bei manchen Diagnosen. Insbesondere bei schizophrenen Psychosen ist es nach den vorliegenden Studien etwa zwei bis fünf Mal wahrscheinlicher als beim Durchschnittsbürger, dass die Erkrankten eine tödliche Gewalttat begehen. Selbst bei Depressiven ergab eine große Studie aus Schweden ein dreifach erhöhtes Risiko für Gewaltkriminalität.

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Nach den Massakern in El Paso und Dayton bezieht der Ex-Präsident Position. Deutlich wie nie zuvor kritisiert er seinen Nachfolger - und fordert eine Verschärfung der Waffengesetze.

Über die genauen Zahlen kann man streiten. So sinkt das errechnete Risiko automatisch, wenn man eine große Dunkelziffer bei den psychiatrischen Diagnosen vermutet: Kaum ein Mord oder Totschlag entgeht der Statistik, aber unklar ist, ob in Deutschland wirklich nur 800 000 oder bis zu 1,7 Millionen Menschen unter einer Psychose leiden. Lange debattieren kann man auch darüber, welche Risikofaktoren man rausrechnen muss. Ist etwa ein erhöhter Suchtmittelkonsum ein eigenständiger Faktor oder doch ein genuiner Bestandteil der Krankheit? Dennoch kommt man nicht um die Folgerung herum, dass manche psychisch gestörte Menschen eher zu Gewalt neigen.

Unter dem Strich sind die meisten psychisch Kranken kein bisschen gefährlicher als Gesunde

Allerdings gilt es die Statistik richtig einzuordnen. Mord und Totschlag sind seltene Ereignisse, sodass sich die erhöhte Gewaltbereitschaft bei manchen Diagnosen nur wenig in absoluten Zahlen auswirkt. Wissenschaftler schätzen, dass in Deutschland jährlich 30 Menschen von Schizophrenen getötet werden. Bei angenommen einer Million Erkrankten werden also in jedem Jahr nur 0,003 Prozent der Betroffenen zu Tätern.

Noch abwegiger wird der Generalverdacht gegenüber psychisch Kranken, wenn man alle Diagnosen mit einbezieht. Epidemiologen schätzen, dass in Deutschland ungefähr 30 Prozent der Bevölkerung mindestens einmal im Jahr unter einer behandlungsbedürftigen psychischen Störung leiden. Unter dem Strich sind also die meisten psychisch Kranken kein bisschen gefährlicher als Gesunde. Einer Studie der Duke University zufolge würde die Gewaltkriminalität in den USA nur um vier Prozent abnehmen, wenn man auf einen Schlag Schizophrenie, bipolare Störungen und Depressionen heilen könnte.

Sinnvoller wäre es, sich mehr um die wirklich großen Risikofaktoren für Gewalt zu kümmern, etwa männliches Geschlecht oder Alkohol, wobei sich beides nicht so einfach abschaffen lässt. Anders verhält es sich mit den Schusswaffen, von denen es in den USA genauso viele wie Einwohner gibt. Sie sind zweifellos der eigentliche Grund für die weit überdurchschnittliche Tötungsrate in diesem Land im Vergleich zu anderen Industriestaaten. Ja, man sollte den psychisch Gestörten die Waffen wegnehmen, aber allen anderen Menschen auch.

© SZ vom 07.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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