Test von Ebola-Impfstoffen:Das Experiment der Experimente

Test von Ebola-Impfstoffen: Ein Rot-Kreuz-Mitarbeiter in Liberia: Hier beginnt die größte Testreihe mit Ebola-Impfstoffen.

Ein Rot-Kreuz-Mitarbeiter in Liberia: Hier beginnt die größte Testreihe mit Ebola-Impfstoffen.

(Foto: AFP)

In Kürze beginnen Ebola-Impfstofftests in Westafrika. Forscher erproben nicht nur verschiedene Impfstoffe, sondern auch verschiedene Strategien der Anwendung. Darunter eine, die noch nie untersucht wurde.

Von Hanno Charisius

Fast ein Jahr, nachdem der größte Ebola-Ausbruch der Geschichte begann, stehen mehrere Impfstoffe bereit, um in den drei betroffenen Ländern Westafrikas erprobt zu werden. Wann die Testreihen genau starten sollen, haben die beteiligten Wissenschaftler noch nicht exakt festgelegt. Die ersten Dosen könnten noch im Januar verabreicht werden.

Bis klar ist, ob die Vakzinen wirklich helfen, kann ein halbes Jahr vergehen

Drei Studien seien derzeit in Planung, berichtete das Wissenschaftsjournal Science am Freitag. In Liberia organisiert die amerikanische Gesundheitsbehörde NIH die derzeit wohl größte Testreihe. Zwei verschiede Impfstoffe werden dort ins Rennen geschickt. 30 000 Menschen aus der Hauptstadt Monrovia sollen an der Studie teilnehmen. Es kann allerdings bis zu sechs Monate dauern, bis die Statistiker mit Sicherheit eine Schutzwirkung aus den Datensätzen herauslesen können - so es denn eine geben sollte.

Ein Grund für diesen langen Zeitraum ist eigentlich ein erfreulicher: Die Neuinfektionsrate sinkt seit einigen Wochen in vielen Regionen. Laut den jüngsten Zahlen der Weltgesundheitsorganisation WHO sank die Zahl der Neuinfektionen in Liberia, Sierra Leone und Guinea in der zweiten Januarwoche auf den niedrigsten Stand seit dem Sommer. In manchen Orten stehen mittlerweile sogar die Behandlungszentren leer. Die verbesserte Lage äußert sich auch darin, dass am Montag in Guinea die Schulen wieder geöffnet wurden. Sie waren seit Juli geschlossen. Unterdessen wurde der Ebola-Ausbruch in Mali offiziell für beendet erklärt, nachdem 42 Tage lang kein neuer Fall aufgetreten war. Der erste Fall war Ende Oktober aus Mali gemeldet worden. Insgesamt waren dort seither acht Menschen an Ebola erkrankt, sechs erlagen dem Virus.

Experten sind sich allerdings darin einig, dass der Ebola-Erreger noch lange nicht unter Kontrolle ist und die Zahl der neuen Fälle jederzeit wieder deutlich ansteigen kann. Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen etwa sieht trotz des Rückgangs der Neuinfektionen keinen Anlass zur Entwarnung. In weiten Teilen von Sierra Leone und Guinea sei die Lage weiterhin kritisch und die Sterblichkeitsrate alarmierend hoch. Besonders besorgniserregend sei, dass aus bisher nicht betroffenen Regionen erstmals Infizierte gemeldet werden. In diesen Gegenden fehlten angemessene Behandlungsmöglichkeiten. Insgesamt wurden in Westafrika bislang mehr als 21 000 Ebola-Fälle bekannt, von denenmehr als 8400 tödlich verliefen. Die WHO vermutet allerdings eine sehr hohe Dunkelziffer.

Neben dem klassischen Studiendesign zum Testen der Wirksamkeit eines Arzneimittels, wie es die US-Gesundheitsbehörde in Liberia plant, verfolgen die beiden anderen von Ebola betroffenen Länder jeweils eine weitere Strategie. In Sierra Leone plant die amerikanische Seuchenschutzbehörde CDC eine Studie an 6000 Pflegekräften in Ebola-Stationen. Die Experten haben sich allerdings noch nicht auf einen Wirkstoff festgelegt. Drei Impfstoffkandidaten stehen theoretisch zur Auswahl, allerdings liegen erst zu zwei von ihnen Daten aus Testreihen an Freiwilligen vor. Der dritte wurde in der vorvergangenen Woche erstmals an Menschen verabreicht. Wie gut verträglich dieser Substanzcocktail ist, wird sich erst ein einigen Wochen zeigen. Die beiden anderen Arzneimittel hatten kaum schwerwiegende Nebenwirkungen im Test gezeigt und die Immunabwehr der Probanden gegen das Ebola-Virus messbar auf Trab gebracht.

In Guinea planen die Forscher im Auftrag der WHO ein komplett anderes Vorgehen, das so noch nie in einer Wirksamkeitsstudie versucht wurde. Diese Variante wird als "Ringimpfung" bezeichnet. Dabei werden alle Menschen im Umfeld eines frisch Infizierten mit dem Impfstoff behandelt. Im Durchschnitt sollen etwa 50 Personen den Testimpfstoff bekommen. Auf diese Weise wurden in den 1960er-Jahren die Pocken weltweit ausgerottet.

Sicherheit und Wirksamkeit werden gleichzeitig getestet und nicht - wie üblich - nacheinander

Im Kampf gegen Ebola wird nun ein modifiziertes Protokoll eingesetzt. In der Hälfte der Fälle bekommt das Umfeld eines Neuinfizierten den Impfstoff schnellstmöglich. Bei den übrigen warten die Ärzte zwischen vier und acht Wochen, bis sie die Arznei verabreichen, um für die Wirksamkeit der Substanz eine Kontrollgruppe zu haben. Auch das Pflegepersonal in Guinea soll den Impfstoff bekommen. Spätestens Ende Februar sollen die Tests beginnen. In afrikanischen Ländern, die derzeit nicht von Ebola betroffen sind, sollen die Impfstoffe gleichzeitig weiter auf ihre Sicherheit getestet werden. Um die Einführung einer flächendeckenden Impfung nicht weiter zu verzögern, lassen die Wissenschaftler diese beiden Versuche parallel laufen und nicht nacheinander, wie es normalerweise in der Pharmaforschung üblich ist. Sollte sich einer der getesteten Impfstoffe als wirksam erweisen und sicher sein, könnten die Ringimpfungen auch in Zukunft die zentrale Strategie darstellen, um die Ausbreitung des Erregers zu bremsen.

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