Süddeutsche Zeitung

Telemedizin:Ärztetag spricht sich für Behandlung per Video aus

  • Ärzte dürfen Patienten nun auch ausschließlich per Telefon oder Videoschalte behandeln. Dafür hat sich der Deutsche Ärztetag mit großer Mehrheit ausgesprochen.
  • Der Telemedizin stehen aber noch weitere Hürden im Weg. Viele Praxen und Krankenkassen sind nicht auf die Neuerung vorbereitet.
  • Zumindest Gesundheitsminister Jens Spahn ist begeistert.

Von Michaela Schwinn

Als die gelben Stimmzettel in die Höhe schießen, ist klar, dass die Ärzte in Erfurt ein Zeichen setzen wollen: für mehr Digitalisierung und gegen alte Zweifel. Auf dem 121. Deutschen Ärztetag entschieden die Delegierten mit großer Mehrheit, das Fernbehandlungsverbot zu lockern. Denn noch immer ist es Ärzten in Deutschland - bis auf wenige Modellprojekte - verboten, Patienten aus der Ferne zu behandeln, die sie vorher nicht persönlich getroffen haben. Künftig soll es Ärzten erlaubt sein, sich ausschließlich per Video oder Telefon um die Patienten zu kümmern.

Dass das Ergebnis so eindeutig ausfiel, ist überraschend. Vor der Abstimmung hatte es eine hitzige Debatte zwischen denjenigen gegeben, die Telemedizin als Bedrohung des ärztlichen Standards sehen und denjenigen, für die die Lockerung längst überfällig ist. Kritiker fürchten, dass sich die Versorgung durch eine Öffnung in riesige Callcenter verlagern könnte und der medizinische Standard nicht mehr gesichert wäre. "Es gibt bereits einen Dammbruch, nun müssen wir steuern, wohin das Wasser fließt", konterte ein Delegierter der anderen Seite. Er forderte die Ärzte auf, die Digitalisierung lieber selbst zu gestalten, als sie in die Hand von Internetkonzernen wie Google oder Apple zu geben. Diese sind schon ins Fernbehandlungsgeschäft eingestiegen.

Bei vielen Kassen ist Telemedizin noch keine Regelleistung

Auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hatte sich bei der Eröffnung des Ärztetags deutlich für Telemedizin ausgesprochen. Wenige Minuten nach der Abstimmung simste er seine Glückwünsche an Frank Ulrich Montgomery, den Präsidenten der Bundesärztekammer. "Patienten werden unnötige Wege und Wartezeiten erspart", kommentierte Spahn die Entscheidung auf Twitter. "Und Ärzte können die digitale Welt aktiv gestalten, anstatt dass es andere tun"

Wie viel sich für Patienten durch die Entscheidung des Ärztetags aber wirklich ändert, hängt von den einzelnen Landesärztekammern ab. Sie müssen die Neuerung nicht zwingend übernehmen. Auch stehen der Telemedizin noch andere Hürden im Weg: Rezepte werden immer noch auf Papier gedruckt und der Austausch von Patienteninformationen läuft nicht reibungsfrei. Wenn die digitale Kommunikation auf dieser Stufe verharre, so äußerten sich mehrere Redner auf dem Ärztetag, könne auch Telemedizin nicht funktionieren. Außerdem müsse die Finanzierung durch die Krankenkassen geklärt werden - denn Telemedizin als Regelleistung der Kassen gibt es bisher kaum.

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