Tchibo-Angebot:Gebisse vom Kaffeeröster

Seniorenmesse "Die 66" in München, 2013

Beim Zahnersatz gibt es seit Jahren einen Preiskampf.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Tchibo vermittelt seit heute preiswerten Zahnersatz. Mediziner sind wenig begeistert. Doch was bedeutet das Angebot für die Patienten?

Von Berit Uhlmann

83 Euro statt 167 für ein Inlay, 120 statt 310 Euro für die Krone: Wer beim Zahnersatz sparen will, wird nun auch beim Kaffeeröster Tchibo fündig. Die "ZahnersatzCard" ist seit heute online und von 23. Juli an in den Verkaufsstellen des Unternehmens erhältlich. Wer sie beim Zahnarzt zückt, soll in den kommenden zwei Jahren preisgünstige Gebissteile erhalten - gefertigt auf den Philippinen und vermittelt über die Hamburger Dentalfima Novadent.

"Es gehört zu unserem Konzept, dass wir unseren Kunden regelmäßig etwas Überraschendes anbieten. Diesmal haben wir uns für Zahnersatz entschieden", begründet Tchibo das Angebot. Allerdings dürfte die Offerte in der Praxis weder so einfach noch so exklusiv sein, wie sie klingt. "Die Karte von Novadent ist nicht neu", sagt Guido Braun, Vizepräsident des Verbands Deutscher Zahntechniker-Innungen. Nicht einmal im Sortiment von Tchibo ist ein derartiges Angebot ein Novum. Die Firma bot 2010 eine Zahnzusatzversicherung von der Gothaer Krankenversicherung an.

Wer die neue Karte erwirbt, hat noch keine Garantie, von den Schnäppchen komplikationslos profitieren zu können. Nach Angaben des Kaffeerösters arbeiten derzeit etwa 1000 Zahnmediziner mit Novadent zusammen. Dass der eigene Zahnarzt dazugehört, kann niemand erwarten oder gar erzwingen. Die Mediziner haften für den Zahnersatz. Viele arbeiten deshalb nur mit Technikern zusammen, denen sie seit Jahren vertrauen.

Deshalb bietet Tchibo auch an, einen Zahnarzt zu vermitteln, der den Auslandszahnersatz garantiert einsetzt und hat dafür die Internetseite www.sparen-beim-zahnersatz.de aufgesetzt. Die aber erzürnt die Zahnmediziner.

Als "massive Einmischung" in das Vertrauensverhältnis von Arzt und Patient kritisiert die Kassenzahnärztliche Vereinigung Bayerns (KZVB) das Vermittlungsangebot. "Ich kann nur davor warnen, das teilweise über Jahrzehnte gewachsene Vertrauensverhältnis zu seinem Zahnarzt wegen ein paar Hundert Euro zu gefährden", warnt KZVB-Chef Janusz Rat. Der vertraute Zahnarzt kenne den Patienten und seine Vorerkrankungen und wisse daher am besten, welcher Zahnersatz zu ihm passe.

Zehn Prozent aller künstlichen Zähne stammen aus dem Ausland

Ganz verteufeln will die KZVB billigen Zahnersatz jedoch nicht, schließlich arbeiten viele Praxen schon längst mit Laboren aus dem Ausland zusammen. In einer Umfrage der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV) aus dem Jahr 2010 geben zwölf Prozent der deutschen Zahnärzte an, sie würden "häufig" auf ausländische Produkte zurückgreifen, 15 Prozent sagen, sie täten das "gelegentlich". Nach einer Studie des Instituts der Deutschen Zahnärzte stammen etwa zehn Prozent der künstlichen Zähne in deutschen Mündern nicht aus hiesigen Laboren.

Demzufolge heißt es von Seiten der KZBV, dass Zahnersatz aus dem Ausland "nicht per se schlecht sein muss". Prinzipiell aber gelte: Je aufwändiger die Arbeit ist, umso mehr empfiehlt sich ein Labor in der Nähe, das im Bedarfsfall schnell greifbar ist. Bei Nachbesserungen und Reparaturen werde es schwierig, wenn die Prothese erst nach Fernost verschickt werden müsse.

Die deutschen Zahntechniker halten naturgemäß wenig von der Karte, die bald "neben Damensöckchen und Ohrhaarschneidern im Regal liegt", so Techniker-Verbandsvize Braun. "Wir verbringen sehr viel Zeit damit, mit Zahnärzten abzuklären, was genau der Patient wünscht, was der Zahnarzt plant, was umsetzbar ist". Solche Absprachen sind mit einem Labor in Manila kaum möglich. Da bleibe nur "Hoffen und Beten", dass der Zahnersatz dann tatsächlich so ausfällt wie erwartet.

Preiskampf unter Laboren

Wer wenig Geld hat, ist auch nicht auf Tchibo angewiesen. Im Laborbereich tobt seit Jahren ein Preiskampf. Braun: "Beim Zahnersatz gibt es mittlerweile sehr viele verschiedene Lösungen". Er rät allen Patienten, ihren Zahnarzt "zu plagen", damit er ihnen alle Alternativen mit Vor- und Nachteilen aufzähle. Im Notfall sollte man eine Zweitmeinung einholen.

Tchibo setzte im Jahr 2012 knapp 3,6 Milliarden Euro um. Mittlerweile verkauft das Unternehmen beinahe alles: Reisen, Mobilfunkverträge, Blumen, Ökostrom, Einfamilienhäuser und Versicherungen. Die bayerischen Zahnärzte dagegen versichern, in ihren Praxen "werden Patienten auch in Zukunft keinen Kaffee kaufen können".

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