Symptome der Alzheimer-Erkrankung:Schusselig oder dement?

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"Wer bin ich?": Alzheimerpatienten vergessen nach und nach vieles aus ihrem Leben. (Foto: dpa)

"Was wollte ich nochmal aus der Küche holen?" Wenn ältere Menschen vergesslich werden, schlägt die Angst vor Alzheimer zu. Wo die Grenze zwischen Zersteutheit und Krankheit verläuft.

Von Berit Uhlmann

Die alte Dame verlangte, den Elektriker zu rufen. Das nagelneue Handy, das die Familie ihr geschenkt hatte, sei kaputt. "Du musst es regelmäßig aufladen", sagte ihr Enkel nicht zum ersten Mal. Ach je, entgegnete daraufhin die Oma, sie könne sich einfach nichts mehr merken. Auch dieser Satz fiel weder zum ersten noch zum letzten Mal. Ein Zeichen von Alzheimer?

Wer ältere Angehörige hat, wird hellhörig, wenn er Gedächtnislücken bemerkt. Und doch gilt: "Längst nicht jede Vergesslichkeit beruht auf einer Alzheimer-Erkrankung", sagt Katharina Bürger vom Institut für Schlaganfall- und Demenzforschung am Klinikum Großhadern der LMU München.

Zunächst einmal gibt es keinen Anlass bei einer plötzlichen Schusseligkeit in Aktionismus zu verfallen. Ein wichtiges Diagnose-Kriterium sei die Zeit, so die Oberärztin: Erst wenn geistige Einschränkungen mindestens sechs Monate anhalten, sich in dieser Zeit verschlechtern und den Betroffenen in seinem Alltag beeinträchtigen, besteht der Verdacht auf eine Alzheimer-Erkrankung. Denn es ist gar nicht so selten, dass akute Erkrankungen, Operationen, Trauer, Stress oder Phasen des Schlafmangels zu vorübergehenden Einschränkungen der geistigen Leistungsfähigkeit führen. Doch hiervon erholen sich die Betroffenen wieder, während eine Alzheimer-Demenz fortschreitend verläuft.

Doch selbst wenn das Gedächtnis dauerhaft nicht mehr so gut funktioniert, muss dies nicht zwangsläufig auf eine Alzheimer-Erkrankung hinweisen. Bei sehr vielen alten Menschen lassen die geistigen Fähigkeiten ein Stück weit nach. Komplexe Aufgaben wie die Verwaltung von Geldanlagen werden dann nicht mehr bewältigt, während Alltagsaufgaben wie die Hausarbeit noch gut gelingen.

Dagegen schwindet die Merkfähigkeit bei Alzheimer-Patienten in aller Regel drastischer. Erkrankte verlassen das Haus und wissen, selbst wenn sie sich nach Kräften zu konzentrieren versuchen, nicht mehr, was ihr Ziel war. Viele Betroffene wiederholen fortwährend die gleiche Frage oder erzählen wieder und wieder die gleiche Anekdote.

Und dennoch ist - anders als Laien oft annehmen - die schwindende Merkfähigkeit nur eines von mehreren Zeichen, das auf eine Alzheimer-Demenz hinweist. Ein weiteres Symptom sei fast immer auch eine Störung der räumlichen Orientierung, erläutert die Ärztin weiter. Betroffene finden sich in neuen Umgebungen, später selbst an bekannten Orten nicht mehr zurecht. Auch Störungen der Wortfindung sind häufig; Sätze werden dann nicht mehr zu Ende gesprochen. Tätigkeiten in sinnvoller Reihenfolge zu planen, fällt den Erkrankten ebenfalls zunehmend schwerer.

Fast immer gehe eine Alzheimer-Erkrankung auch mit Veränderungen im emotionalen Bereich einher, ergänzt Katharina Bürger. Vor allem in der Anfangsphase zeigten viele Betroffene Symptome wie depressive Verstimmungen oder Antriebslosigkeit.

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Zu Beginn versuchen viele Betroffene ihre Defizite zu kompensieren, durch Notizzettel, sozialen Rückzug oder durch zunehmende, auch absurde Ausreden. Sie verlegen ihre Brille und verdächtigen die Nachbarn, die Sehhilfe gestohlen zu haben. Die Verleugnung der eigenen Schwächen ist für Ärzte häufig ein deutlicheres Zeichen als die Klagen über die eigene Vergesslichkeit, die bei manchen Senioren ohnehin zum Standardrepertoire gehören - auch wenn sie geistig noch sehr rege sind.

Und doch sind all das nur Warnhinweise. Eine genaue Diagnose kann nur der Facharzt stellen. Eine gute Anlaufstelle sind die Gedächtnissprechstunden, die meist an größere Kliniken angeschlossen sind.

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Schlüssel vergessen, Brille verlegt: Mit diesem Test können Sie einen ersten Hinweis darauf bekommen, ob Ihr Angehöriger möglicherweise an einer Demenz leidet oder lediglich zerstreut ist.

Anders als manche frei verfügbaren Tests suggerieren, gibt es keine Methode, die allein eine Alzheimer-Demenz feststellen kann. Ärzte wenden eine ganze Reihe neurologischer und bildgebender Tests sowie Laboruntersuchungen an. Viele dienen dem Ausschluss anderer Erkrankungen. Unabdingbar aber sei die Beurteilung des Gesamtbildes, sagt die Ärztin. Und das ist längst nicht immer so dramatisch wie Angehörige vermuten, wenn die Oma ab und zu ihren Schlüssel vergisst. "Bei einem Viertel der Patienten können wir nach den Tests Entwarnung geben", so Bürger.

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