Ernährung:Verkaufsmasche Superfoods

Baskets of acai berries sit on a truck waiting to be taken to market in Abaetetuba

Ihr werden Wunderkräfte angedichtet: Acai-Beere aus Brasilien.

(Foto: REUTERS)

Superfoods verheißen die Steigerung gesunder Ernährung. Was ist dran an Chia-Samen, Goji- und Acai-Beeren?

Von Franz Kotteder

Richtige Ernährung ist das A und O im Leben. Manchen Nahrungsmitteln sagt man sogar übernatürliche Eigenschaften nach. Zumindest im Comic. Was wäre das kleine gallische Dorf von Asterix und Obelix ohne jenen geheimnisvollen Zaubertrank, zu dessen Ingredienzien unter anderem Misteln, Hummer, einigermaßen frischer Fisch, Steinöl und Roterübensaft gehören, wie man im Verlauf von 36 Bänden nach und nach erfährt? Und was wäre der wackere Seemann Popeye ohne seinen Spinat? Eine Dose davon, und aus dem Seefahrer wird ein Superheld, der jeden Gegner aus den Stiefeln kloppt.

Popeyes Spinat ist sozusagen der Prototyp von Superfood: ein Lebensmittel, das ungewöhnliche Kräfte verleiht. Freilich: Das, was derzeit als "Superfoods" - ein im Englischen eher ungewöhnlicher Plural - beworben wird, soll nicht beim Schlägern helfen, sondern seine Konsumenten nur unglaublich gesund machen und gesund erhalten. Und dazu braucht es keine ganze Dose wie bei Popeye, es genügt meist eine geringe Dosis. So jedenfalls das Versprechen derjenigen, die damit Handel treiben.

Selbst Jamie Oliver ist sich nicht so ganz sicher, wie viele Superlative sich tatsächlich belegen lassen

Und: Superfoods sind niemals so banal, wie es Spinat nun einmal ist. Superfoods sind in aller Regel Beeren, Körner oder Samen und kommen fast immer aus fernen Ländern. Sie sorgen dort angeblich für biblisches Alter in der indigenen Bevölkerung und enthalten bestimmte Nährstoffe in einem Maße, wie sie sonst in kaum einem anderen Lebensmittel vorkommen.

Mineralstoffe , Vitamine und Antioxidantien sind da drin, mehr als in anderen Früchten und Körnern. Chia-Samen aus Mexiko soll die Verdauung fördern, Goji-Beeren aus China stärken das Immunsystem, heißt es. Und seit die amerikanische Talkmasterin Oprah Winfrey in ihrer Show die Acai-Beere als Schlankmacherin über den grünen Klee lobte, mischen Models sie gerne unters morgendliche Müsli. Die führende Website in den USA für Superfood hat sogar Tabletten aus getrockneten Ameisen oder Reh-Plazenta im Angebot.

So etwas klingt leicht esoterisch, und noch immer sind Superfoods oft vom Hauch des Geheimnisvollen umweht. Untergegangene südamerikanische Kulturvölker müssen herhalten als Ahnherren und zugleich als Beleg für ein jahrtausendealtes Ernährungsbewusstsein, das dem modernen Menschen abhandengekommen ist. Vom "wahren Gold der Inka" ist dann die Rede, oder vom "Urgetreide der Maya", und angeblich wurde Chia-Samen von den Azteken "vor Kämpfen als Überlebensmahlzeit eingenommen". So steht es jedenfalls in "Clean your life - in sechs Wochen zur Bestform". Damit haben Biosupermärkte in den vergangenen Jahren eine erfolgreiche Nische aufgemacht, in der eine kaufkräftige Kundschaft nach neuen Steigerungsformen gesunder Ernährungsweise suchte und fündig wurde.

Aber nun hat auch der britische Fernsehkoch Jamie Oliver ein Kochbuch zu Superfood veröffentlicht: immer ein sicheres Zeichen dafür, dass ein Trend in der Mitte der Gesellschaft anzukommen droht. In "Superfood für jeden Tag" (Dorling Kindersley Verlag, 312 Seiten, 24,95 Euro) geht es laut Oliver darum, Wissen über gesunde Ernährung zu vermitteln und zu zeigen, "wie man eine ausgewogene Mahlzeit zusammenstellt". Das klingt wenig spektakulär und ist es auch nicht.

Tatsächlich hält sich der Medienprofi erstaunlich zurück, was Versprechen über die Wirkungen von exotischen Beigaben angeht. Zu seinem Rezept für "Superfood-Proteinbrot" heißt es gerade mal: "Es hilft den Muskeln beim Heilen und Wachsen." Und die am weitesten gehende Behauptung, die am Rande der Seriosität gerade noch so entlangschrammt, bezieht sich gar nicht auf Körner, sondern auf ganz banales Hühnerfleisch: "Hähnchen ist fabelhaft, Jungs - vergleichsweise mager, reich an wichtigem Vitamin B und an Selen, das unter anderem euren kleinen Freund niemals im Stich lässt - yeah!"

Oliver weiß wohl, warum er zwar den Begriff "Superfood" auf den Titel seines Buches hebt, die entsprechenden Beeren und Körner aber sehr zurückhaltend ins Spiel bringt. Denn unter Fachleuten gilt der Hype um die Superfoods schlicht als Blödsinn.

Goji-Beeren können gefährlich sein

Hans Hauner, Professor für Ernährungsmedizin an der Technischen Universität München, sagt: "Superfood, das ist ein reiner PR-Begriff, mit dem man Geschäfte machen will." Das funktioniere immer nach der gleichen Masche: Man nehme eine Beere oder ein Korn aus fremden Ländern mit einem bestimmten, erhöhten Nährstoffgehalt und behaupte, das sei besonders gesund. "Die kleine Menge, die in diesen Mitteln enthalten ist", sagt Hauner, "ist aber so geringfügig, dass sie im Grundrauschen der übrigen Ernährung sowieso völlig untergeht."

Deshalb gebe es auch praktisch keine wissenschaftlichen Studien, die positive Auswirkungen bestätigen oder Vorteile gegenüber heimischen Sorten nachweisen. Hauner nennt als Beispiel Chia-Samen aus Mexiko, der wegen seines Gehalts an Kalzium und Magnesium als heilkräftig gilt. "Leinsamen hat durchaus eine vergleichbare Wirkung. Aber für Chia-Samen kann man eben das Fünf- bis Zehnfache verlangen."

Manche der vermeintlich neuartigen Lebensmittel können, im Übermaß genossen, sogar schädlich sein. Das Bundesinstitut für Arzneimittel etwa warnte bereits Bluthochdruckpatienten vor dem Genuss von Goji-Beeren. Der könne zu unerwünschten Wechselwirkungen mit Blutverdünnern führen. Und das Veterinäruntersuchungsamt Stuttgart entdeckte 2010 bei 13 von 14 Proben aus konventionellem Anbau Rückstände von Pestiziden, die die erlaubte Höchstmenge überschritten.

Der gute, alte Spinat ist meistens genauso gesund

Trotzdem setzen viele in der Nahrungsmittelbranche auf einen weiter wachsenden Trend. Man kann das gut an der Frühjahrsproduktion der Kochbuchverlage ablesen. "Supersnacks & Powerfood" oder "Superfoods - die besten Rezepte" heißen die Bücher, die demnächst auf den Markt kommen. Nachdem die Verlage mittlerweile sämtliche Länderküchen abgegrast haben und auch zu jedem Gewürz und jeder einzelnen Zutat ein eigenes Kochbuch erschienen ist, braucht man nun eben neue Lifestyle-Bewegungen, um neue Veröffentlichungen hervorzubringen. Und selbst Veganer wollen schließlich alle halbe Jahre eine andere Sau durchs Dorf getrieben haben.

Für Veganer sind einige der Superfoods übrigens noch am ehesten sinnvoll, weil sie mit ihnen die Nährstoffe ausgleichen können, die ihnen mangels Fleisch und Milch sonst entgehen. Alle anderen müssen keine Angst haben, dass ihnen etwas entgeht, wenn sie auf Quinoa, Lucuma oder Süßlupinen verzichten. Sie dürfen, so wie Popeye, beispielsweise beim gewohnten Spinat bleiben. Er muss ja nicht gleich aus der Dose kommen.

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