Studie:Heilkraft der Hände

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Ob Baby oder Greis: Menschen leiden weniger stark unter Schmerz und Stress, wenn sie berührt werden.

Von Werner Bartens

Pavel Goldstein kam während der Geburt seiner inzwischen vierjährigen Tochter auf die Idee. "Meine Frau hatte starke Wehen und ich dachte nur daran, wie ich ihr helfen könnte", erinnert sich der Psychologe von der Universität Haifa. "Ich hielt ihre Hand und das schien die Beschwerden bereits zu lindern. Deshalb wollte ich später im Labor herausfinden, ob Berührung tatsächlich die Schmerzen verringern kann - und wenn ja, wie." Was passiert, wenn einer intuitiv die Hand des anderen ergreift, sobald der Zahnarztbohrer, fiese Spritzen oder andere brenzlige Situationen drohen?

Der Wissenschaftler aus Israel hat mit seinem Team bei jungen Paaren untersucht, was Körperkontakt bewirken kann. Im Fachblatt Scientific Reports zeigen die Forscher, dass sich physiologische Vorgänge wie Herzschlag und Atmung bereits einander annähern, wenn sich Partner im selben Raum befinden. Plötzlich auftretender Schmerz - in diesem Fall ausgelöst durch leichte Hitzereize am Unterarm - unterbricht diese Synchronisierung jedoch. Dürfen sich die Paare hingegen berühren, während der Schmerz ausgelöst wird, passen sich die Rhythmen einander an und das Leiden wird weniger stark empfunden.

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Die schmerzlindernde Wirkung der Berührung lässt sich sogar noch steigern. Sie fällt umso stärker aus, je ausgeprägter die Empathie füreinander ist. "Berührung könnte das Werkzeug sein, mit dem wir Mitgefühl vermitteln", sagt Goldstein. "Die Folgen sind mit der Einnahme von Schmerzmitteln vergleichbar."

Berührung ist die erste Sprache. Babys spüren von Anfang an die beruhigende Wirkung und behagliche Wärme, wenn sie angefasst werden. Sie wachsen schneller, sind weniger schmerzempfindlich und besser vor Infektionen geschützt, wenn sie immer wieder liebevoll berührt werden. Doch viele Gesellschaften pflegen mit zunehmendem Alter nicht Nähe und Körperkontakt; vielmehr prägen Distanz und Abgrenzung das Miteinander. Dabei gilt auch für Erwachsene, dass Gefäße elastischer bleiben, Herzinfarkte seltener sind und die Mobilität im Alter erst später eingeschränkt ist, wenn man immer wieder liebevoll berührt wird.

Der Mensch ist ein soziales Wesen, auch wenn das im Alltag oft nicht zu spüren ist. Sehen Kinobesucher einen bewegenden Film, gleichen sich ihre Herzrhythmen und Atemzüge an, beim Singen und Tanzen geschieht das sowieso, aber auch zwei Fußgänger fallen nebeneinander in den gleichen Schritt und in Konferenzen nehmen Kollegen die gleiche Sitzhaltung ein. Umgekehrt ist Einsamkeit und Ablehnung sogar körperlich schmerzhaft. "Ausgrenzung tut physisch weh", sagt Naomi Eisenberger von der University of California in Los Angeles. Sie spricht von "sozialen Schmerzen", die entstehen, wenn jemand aus einer Gruppe ausgeschlossen wird und sich allein fühlt.

Paare, Freunde und Kollegen sollten deshalb die hauseigene Schmerzapotheke öfter nutzen, fordert Goldstein. Leiden lassen nach, und schon bei gelegentlichen flüchtigen Berührungen halten Beziehungen länger. Sogar ein Berg wirkt weniger steil, wenn man Händchen hält. Beim Anstieg zum Gipfel kann es nie schaden, im Gleichschritt und mit synchronem Puls voranzukommen.

© SZ vom 23.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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