Stress und Kopfschmerzen:Diagnose: Kopfzerbrechen

Krankenkassen-Studie

Steigt der Stresspegel, steigt die Pein.

(Foto: inkje / photocase.com)

Kann tatsächlich vor lauter Stress der Schädel schmerzen? Er kann: Forscher haben gezeigt, dass Belastungen Schmerz auslösen. Mehr noch, unter Stress wird die Pein offenbar auch schneller chronisch.

Von Werner Bartens

Kopfschmerzen sind das Begleitrauschen im Geschlechterkampf, ein universelles Anzeichen für berufliche Belastungen, für Wetterwechsel und sexuelle Unlust. Kaum ein körperliches Symptom wird so bereitwillig als Signal akzeptiert, dass irgendwie alles zu viel ist. Stress und Kopfschmerzen gehören demnach ebenso als Wortpaar zusammen wie Lehrer und Burnout oder Felix Magath und Abstiegskampf. Ärzte und Wissenschaftler von der Universitätsklinik Duisburg-Essen haben genauer analysiert, wie Stress und Kopfschmerzen zusammenhängen. Ihre Ergebnisse stellen sie Ende April auf der weltgrößten Neurologentagung in Philadelphia vor.

Das Team um Sara Schramm hatte mehr als 5100 Erwachsene untersucht und über einen Zeitraum von zwei Jahren immer wieder zu ihrem Stresslevel und dem Ausmaß der Kopfschmerzen befragt. Viermal im Jahr gaben die Teilnehmer Auskunft. 31 Prozent der Probanden klagten über Spannungskopfschmerzen, 14 Prozent über Migräne, 11 Prozent hatten eine Kombination aus beidem, und bei 17 Prozent konnte der Kopfschmerz nicht genau klassifiziert werden.

Die Teilnehmer sollten auf einer Skala von 0 bis 100 einschätzen, wie viel Stress sie hatten; der Mittelwert lag für die Erwachsenen mit Spannungskopfschmerz bei 52, für die mit Migräne bei 62. Zudem wurde die Anzahl ihrer Kopfschmerzattacken erfasst. Stieg das subjektive Belastungsgefühl um zehn Punkte auf der Stressskala an, hatten die Probanden um 6,3 Prozent mehr Kopfschmerzen. Die Migräneattacken waren um 4,3 Prozent häufiger.

"Diese Ergebnisse zeigen, dass Stress ein häufiges Problem für jeden ist, der an Kopfschmerzen leidet", sagt Sara Schramm. "Deshalb sind Programme zum Stressmanagement auch so wichtig." Stress könne offenbar nicht nur den Schmerz auslösen, sondern auch den Übergang in chronische Schmerzen beschleunigen. Und manchmal ist es auch ein Teufelskreis, wenn die Kopfschmerzen selbst als Stress erfahren werden und zu weiteren Beschwerden führen.

Psychosomatisch orientierte Ärzte wissen, dass seelische Belastungen vielfältige Beschwerden auslösen können. Bei etwa 40 Prozent aller Patienten, die einen niedergelassenen Arzt aufsuchen, lässt sich keine medizinisch-naturwissenschaftliche Erklärung für ihr Leiden finden. Typisch sind beispielsweise Rückenschmerzen durch beruflichen Stress.

Der Umgang mit Belastungen ist entscheidend

Menschen, die das Gefühl haben, dass ihre Arbeit oder sie selbst nicht genügend wertgeschätzt werden - Psychologen bezeichnen dies als "Gratifikationskrise" -, haben ein achtfach erhöhtes Risiko für die Pein im Kreuz.

Aber auch Verdauungsbeschwerden, die dann mit Verlegenheitsdiagnosen wie Reizdarm oder Colon irritabile belegt werden, entstehen häufiger bei Menschen, die das Gefühl haben, den alltäglichen Druck und die Belastungen nicht mehr bewältigen zu können. Herzrhythmusstörungen, Schwindelgefühle und Schmerzen im Skelettsystem sind ebenfalls Klassiker der stressbedingten Leiden.

Schon länger ist bekannt, dass nicht jede Form von Stress automatisch die Gesundheit gefährdet. Als positiv empfundene Belastungen ("Eu-Stress") regen die Leistungsbereitschaft und manchmal gar die Kreativität an. Entscheidend dafür, wie der Stress wahrgenommen wird, ist das Gefühl, den alltäglichen Wahnsinn noch unter Kontrolle zu haben und nicht davon überfordert zu sein.

Wer die privaten wie beruflichen Belastungen regulieren oder sich ihnen dann und wann entziehen kann, dem bereitet auch der von anderen so empfundene "furchtbare Stress" kein Kopfzerbrechen.

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