Süddeutsche Zeitung

Stiftung Warentest:Leitungswasser ist meist besser als Mineralwasser

Die Deutschen lieben Mineralwasser - aber laut einer Untersuchung der Stiftung Warentest können sie getrost darauf verzichten. Wasser aus dem Hahn enthalte oft mehr Mineralien und weniger chemische Rückstände.

Von Kathrin Zinkant

Deutsche Verbraucher können getrost darauf verzichten, Trinkwasser kistenweise im Supermarkt zu kaufen und in ihre Wohnung zu schleppen. So lautet das Fazit einer aktuellen, umfassenden Analyse von Leitungswasser und stillen Mineralwässern durch die Verbraucherschützer von Stiftung Warentest. Der Test wurde am Donnerstag in Berlin vorgestellt. Wasser aus Flaschen ist dem Wassercheck der Tester zufolge nicht nur wesentlich teurer als Wasser aus dem häuslichen Hahn - ein abgefüllter Liter kostet bis zu 70 Cent, ein Liter Leitungswasser dagegen nur einen halben Cent. Es ist wegen der Verpackungen auch weniger umweltfreundlich. Und noch dazu stellten die Tester fest, dass die meisten käuflichen Mineralwässer nicht einmal mehr Mineralien enthalten als Wasser aus der Leitung. Nur jedes fünfte Wasser hat einen hohen oder sehr hohen Gehalt an Magnesium, Natrium und anderen Mineralstoffen.

Insgesamt hat die Stiftung 28 Proben von Leitungswasser aus 13 Bundesländern und 30 stille Mineralwässer aus dem Einzelhandel auf ihren Mineraliengehalt und die Rückstände von 89 Substanzen hin analysiert. In keinem einzigen Fall überschritt einer dieser Rückstände die gesetzlich vorgeschriebenen Grenzwerte. Alle Proben von Trinkwasser aus Hähnen waren auch frei von Hormonen aus Antibabypillen.

Von besonderem Interesse dürfte nach den Glyphosat-Debatten der vergangenen Monate sein, dass selbst in Gebieten mit intensiver Landwirtschaft nicht die geringste Spur des Ackergifts Glyphosat oder seines Abbauproduktes Ampa nachgewiesen werden konnte. Alle 28 Trinkwasserproben waren frei von Rückständen oder Abbauprodukten des Herbizids. In käuflichen Mineralwässern fanden sich dagegen Spuren von Ampa. Es kann beim Abbau von Glyphosat, aber auch von Waschmitteln entstehen. Außerdem waren einige der Flaschenwasser auffallend mit Keimen belastet.

Münchner Leitungswasser schneidet schlechter ab als Berliner

Die positive Bewertung der Trinkwasserqualität in Deutschland sollte allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Wasser aus dem Hahn dennoch zahlreiche Rückstände von Chemikalien, Arzneimitteln, Pestiziden oder auch Kontrastmitteln aus Röntgenuntersuchungen birgt. Im mineralhaltigen Leitungswasser von München fanden die Tester Reste eines Korrosionsschutzmittels und zweier Süßstoffe, außerdem Spuren von Uran, Chrom und Nitrat.

Das Trinkwasser in der bayerischen Landeshauptstadt schneidet auf dem Papier damit ein wenig schlechter ab sein Pendant in Berlin, Hamburg oder Köln. Wobei sich in Hamburg und Frankfurt auch Trihalogenmethane messen lassen, die in der Regel aus gechlorten Schwimmbädern stammen und teilweise als krebserregend gelten. In Berlin und Stuttgart spürten die Tester Reste von zwei Arzneimitteln im Trinkwasser auf. In einigen Proben fanden sich äußerst geringe Mengen anderer Pestizide als Glyphosat.

Und insbesondere in den ländlichen Regionen sind viele Proben mit Nitraten belastet. Zwar überschritt auch hier keine Probe den zulässigen Grenzwert von 50 mg je Liter. Dennoch sollte zumindest für Säuglinge in Regionen mit hohem Nitratgehalt im Wasser auf ein anderes, nitrat- und mineralienarmes Wasser zurückgegriffen werden.

Das Wasser in Deutschland ist also ungemein sauber - aber nicht völlig rein. Und viele Verbraucher stören sich selbst an homöopathischen Dosen von Chemie in Lebensmitteln und Wasser. Die Experten teilen diese Sicht jedoch nicht. Stiftung Warentest ordnet die Spuren aus Hahn und Flasche als "Spiegel unseres Lebensstils" im Testbericht ein. Wo Menschen mit Waschmittel waschen, Arzneimittel einnehmen und Süßstoffe konsumieren, müssten sie auch mit den Spuren dieser Ansprüche leben. Ähnliches gilt auch für Rückstände von Pestiziden. Günstige Lebensmittel im Überfluss gibt es ohne die entsprechende Landwirtschaft nicht. Das hinterlässt auch im Trinkwasser Spuren. Es ist allerdings nicht mehr ganz so einfach, die Öffentlichkeit von dieser Perspektive zu überzeugen.

"Wir haben den Menschen über viele Jahre vermittelt, dass im Trinkwasser rein gar nichts außer Wasser zu finden sein darf", sagt Ingrid Chorus, Leiterin der Abteilung für Trink- und Badebeckenwasserhygiene am Umweltbundesamt in Berlin. Tatsächlich habe man früher aber vieles nur deshalb nicht entdeckt, weil die Tests gar nicht empfindlich genug waren. Inzwischen hat der hohe Anspruch auch die Trinkwasserexperten am UBA eingeholt. Neue Analysemethoden erlauben es, heute selbst winzigste Mengen von Stoffen im Mikro- oder Nanogrammbereich in den Proben aufzuspüren. Man findet also immer etwas, und vor allem findet man mehr Verunreinigungen im Wasser als vor 20 Jahren.

"Trotzdem ist die Wasserqualität heute keineswegs schlechter - für einige Parameter wie Nitrat zeigen die Daten, dass es eher besser geworden ist", sagt Chorus. "Das Vorsorgeprinzip gebietet es dennoch, selbst die winzigsten Konzentrationen an vom Menschen eingetragenen Stoffen nach Möglichkeit zu reduzieren".

Dass sich Stiftung Warentest jetzt dem Thema Wasser gewidmet hat, empfindet Chorus nicht als überflüssig. Die Kontrolle der Trinkwasserqualität obliegt in Deutschland sowohl den Wasserversorgern als auch den Ländern und ihren Gesundheitsämtern. Die Anzahl der Stoffe und Parameter, die laut Gesetz überprüft werden müssen, ist allerdings überschaubar. Neuere Stoffe wie Arzneimittel zählen nicht dazu. Eine stete Analytik der jeweiligen Trinkwassergüte nehmen die Wasserwerke ohnehin selbst vor. Bundesweite Tests im direkten Vergleich mit teurem Wasser aus dem Supermarkt finden in diesem Zusammenhang aber nicht statt.

Womöglich könnte der Wassercheck der Stiftung nun eine beeindruckende Entwicklung umkehren: Seit den 1970er Jahren hat sich die Pro-Kopf-Menge von gekauftem Mineralwasser mehr als verzehnfacht, von 12,5 Liter im Jahr 1970 auf gegenwärtig 147 Liter. Chorus hofft sehr, dass die Menschen wegen der Ergebnisse der aktuellen Analyse wieder häufiger den Hahn aufdrehen, als Wasserkisten zu schleppen. "Solange die Menschen Leitungswasser trinken, werden die Anforderungen an seine Qualität hoch bleiben", sagt Wasserexpertin Chorus. Sie wünscht sich, dass auch Politiker mit gutem Beispiel voranschreiten. "Karaffen statt Flaschen auf dem Kabinettstisch - das wäre doch was!"

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