Stammzelltherapie bei Erblindung:"Plötzlich konnte ich die Uhr lesen"

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Mediziner haben zwei Frauen, die wegen einer Makuladegeneration kaum noch sehen konnten, embryonale Stammzellen ins Auge gespritzt - und so ihr Sehvermögen verbessert. Es ist der weltweit erste Erfolg der ethisch umstrittenen Zelltherapie.

Christina Berndt

Weltweit zum ersten Mal haben Ärzte mit Hilfe von Stammzellen aus menschlichen Embryonen einen Behandlungserfolg erzielt. Zwei fast erblindete Frauen können besser sehen, seit ihnen vor vier Monaten Zellen ins Auge gespritzt wurden, die aus Embryonen herangezüchtet worden waren.

Das berichtet die University of California in Los Angeles gemeinsam mit der Biotech-Firma ACT ( Lancet, online).

Auch hatte die ethisch umstrittene Zelltherapie, die seit Jahren Hoffnung auf Heilungsmöglichkeiten für schwere Leiden erweckt, keine der gefürchteten Nebenwirkungen: Es kam weder zu Entzündungen noch zur Abstoßung, auch bildeten sich keine Wucherungen.

Die Erfolgsmeldung trifft zwei Monate nach einer Negativschlagzeile ein: Im November hatte die US-Firma Geron den weltersten klinischen Versuch mit menschlichen Embryozellen, in dem Querschnittsgelähmte behandelt wurden, aus Kostengründen abgebrochen.

Die jetzt behandelten Patientinnen litten beide unter Makuladegeneration - in ihren Augen war der Punkt des schärfsten Sehens zerstört. Vor der Behandlung konnte die jüngere, 51-jährige Frau auf einer Buchstabentafel beim Augenarzt nichts erkennen und gerade noch sehen, wenn jemand seine Hand vor ihren Augen bewegte. Vier Monate nach der Stammzellspritze kann sie nun fünf Buchstaben auf der Tafel entziffern.

Der Unterschied wirkt auf Sehende unspektakulär. Doch für die Frau bedeutet er viel. "Eines Tages konnte ich plötzlich wieder meine Armbanduhr lesen", erzählt sie begeistert: "Das war mindestens eineinhalb Jahre lang unmöglich gewesen. Ich konnte tatsächlich sagen, wie spät es ist!"

Auch bei der zweiten, 78-jährigen Frau besserte sich das Sehvermögen: Sie könne nun wieder selbständig durch ein Einkaufszentrum laufen, sagt sie.

Für die Forschung ist der Versuch ein Meilenstein: "Jetzt wurde das therapeutische Potential von Stammzellen erstmals Realität", sagt Anthony Atala vom Institut für Regenerative Medizin der Wake Forest School of Medicine. Ob Zelltherapien ähnliche oder auch größere Erfolge generell erzielen können, ist nach diesen zwei Behandlungen allerdings völlig offen. Das müssen langjährige Studien mit vielen Patienten erst zeigen. Zudem gilt das Auge aufgrund seiner anatomischen Abgeschiedenheit als besonders sicherer Ort für eine Transplantation.

© SZ vom 27.01.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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