Süddeutsche Zeitung

Sprachentwicklung:Babys lesen von den Lippen

Um sprechen zu lernen, schauen sechs bis zwölf Monate alte Babys ihren Eltern auf den Mund. Danach blicken sie ihnen wieder in die Augen. Es ist demnach wichtig, mit seinem Kind von Angesicht zu Angesicht zu reden.

Christina Berndt

"Sieh mir in die Augen, Kleines", ist genau die richtige Aufforderung an kleine Babys, damit sie sprechen lernen. Allerdings gilt das zunächst nur sechs Monate lang. Danach schauen Babys ihrem Gegenüber nicht mehr in die Augen, sondern auf den Mund.

Das haben Entwicklungspsychologen um David Lewkowicz von der Florida Atlantic University mittels Blickerfassung herausgefunden (PNAS, online). "Die Babys müssen erkunden, wie sie ihre Lippen formen sollen, um jene Laute zu bilden, die sie hören", erklärt Lewkowicz.

Wenn die Kleinen etwa ein Jahr alt geworden sind, blicken sie dagegen wieder in die Augen der Menschen, die mit ihnen sprechen. "Um das erste Lebensjahr herum verstehen Kinder schon eine Reihe von Wörtern", erläutert Sabina Pauen, die an der Universität Heidelberg frühkindliche Fähigkeiten erforscht.

"Dann wird es für sie wieder interessant, die Augen zu beobachten, weil diese noch weitere Informationen liefern, nämlich die Stimmung des Gegenübers." Es sei denn, die Menschen sprechen plötzlich in einer Fremdsprache: Dann beobachten die Kleinen wieder den Mund, um zu den ungewohnten Lauten die passenden Lippenbewegungen zu lernen. Auch bräuchten sie die optische Information, um die für sie neuen Laute zu entziffern, vermutet Lewkowicz.

Die Studie zeige erneut, wie wichtig es ist, mit seinem Kind von Angesicht zu Angesicht zu reden, damit es sprechen lernt, betont Sabina Pauen. CDs und DVDs könnten dies nicht übernehmen - auch dann nicht, wenn die Filme sprechende Gesichter zeigten. "Der Dialog ist von Bedeutung", sagt Pauen. "Eltern greifen in der Kommunikation mit ihrem Kind automatisch dessen Laute auf und machen sie nach. Das ist für das Kind eine wichtige Bestätigung. So lernt es, dass das, was es von sich gibt, beim Gegenüber auch ankommt."

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Quelle:
SZ vom 18.01.2012/mcs
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