Gleich nach dem positiven Schwangerschaftstest beginnen viele Frauen ihr Schonprogramm. Wer noch nie Spaß an Bewegung hatte, sieht in den anderen Umständen eine willkommene Ausrede. Aber auch sportliche Frauen unterdrücken oft ihren Bewegungsdrang - aus Angst, sie könnten dem Ungeborenen schaden.
Doch wahrscheinlich ist das Gegenteil der Fall: Schwangere, die trotz Müdigkeit und flauem Gefühl in der Magengegend, trotz verlagertem Schwerpunkt und strapazierten Bändern Lust auf Sport haben, sollten diesen unbedingt machen, rät Linda May von der Kansas City University of Medicine. Sie könnten ihrem Baby dadurch nämlich "einen Vorsprung in puncto Herzgesundheit" verschaffen.
Seit vier Jahren leitet die Bewegungsphysiologin May ein umfassendes Studienprogramm zu den Auswirkungen von Sport in der Schwangerschaft auf die Gesundheit des kindlichen Herzens. Neue Daten hat sie auf der Tagung Experimental Biology 2011 in Washington präsentiert. Deren Fazit lautet: Wenn die Mutter trainiert, trainiert das Ungeborene mit.
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Für diese Erkenntnis hat May 61 Babys untersucht. Deren Mütter kannte sie schon länger. Die hatte sie bereits als Schwangere dreimal einbestellt, um die Kraft der Babyherzen im Mutterleib zu messen. Knapp die Hälfte der Frauen trieb mindestens dreimal pro Woche Sport, die übrigen pflegten einen eher gemächlichen Lebensstil.
So zeigte sich: Wenn die Mutter sportlich aktiv war, wurde die Herzrate des Föten langsamer und variabler, was als Zeichen für ein gesundes Herz gilt ( Early Human Develop ment, Bd.86, S.213, 2010). In ähnlicher Weise verändert sich auf Dauer die Herzrate bei erwachsenen Menschen, wenn sie Sport treiben. Offenbar zeigen also auch die Ungeborenen einen Trainingseffekt - auch wenn es auf den ersten Blick nur die Mütter sind, die sich anstrengen.
Nun hat Linda May die Folgedaten vorgelegt und die Kraft der Babyherzen nach der Geburt vermessen. Dabei erwiesen sich nicht nur die Babys der trainierten Frauen als besonders trainiert. Der Trainingseffekt war umso größer, je mehr sich die Mütter bewegt hatten. Womöglich gelangen Hormone, die beim Sport ausgeschüttet werden, durch die Plazenta ins Babyblut und stimulieren die Herzen der Ungeborenen, sagt May.
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Doch nicht nur die Babys, auch die Mütter profitierten von der Bewegung in anderen Umständen. "Wenn kein individuelles Frühgeburtsrisiko besteht, sollten Schwangere unbedingt Sport treiben", unterstreicht daher Thorsten Fischer, Vorstand und Ordinarius der Universitätsklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe Salzburg. Schwangerschaftsdiabetes, Übergewicht und das Thromboserisiko würden so nachgewiesenermaßen abgemildert. Auch verbessere eine starke Muskulatur die Fähigkeit, mit dem Gewicht des Babybauchs umzugehen, ergänzt Peter Bung von der Gynäkologischen Praxisklinik Bonn.
Trotzdem hält sich hartnäckig das Gerücht, Schwangere sollten sich am besten nur noch ausruhen. "Fast alle haben Angst vorm Sport. Vor allem die Schwiegermütter und Ehemänner, aber auch viele Frauenärzte warnen die werdenden Mütter vor körperlicher Ertüchtigung", seufzt Fischer. Dabei würden Frühgeburten durch biochemische Faktoren ausgelöst und nicht mechanisch.
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Selbst dauerndes Babyschaukeln wie beim Joggen und Reiten halten Fachleute für unproblematisch. "Es gibt Studien, denen zufolge Neugeborene eine höhere Stresstoleranz haben, wenn sie im Mutterleib Erschütterungen ausgesetzt wurden", so Fischer. In einer Studie hat er selbst die Wehentätigkeit beim Powerwalking und Fahrradfahren gemessen - mit beruhigenden Ergebnissen. Entwarnung gibt auch Susanna Kramarz, die für ihre Dissertation an der Uni München 1800 Reiterinnen untersucht hat. Demnach erhöht das Reiten das Risiko für eine Frühgeburt nicht.
Die größte Gefahr beim Sport sind Unfälle. Deshalb seien verletzungsarme Sportarten wie Schwimmen oder Bergwandern (bis 2500 Meter) besonders günstig, sagt Fischer: "Ein Reitkurs für Anfänger ist sicher ebensowenig zu empfehlen wie Kickboxen."
Übergroße Angst vorm Hinfallen müssen Frauen aber auch nicht haben. In Susanna Kramarz' Studie gab es 220 Stürze vom oder mit dem Pferd - eine Reiterin verlor dabei ihr Kind, eine zweite erlitt eine Frühgeburt. Alle anderen trugen ihr Kind aber bis zum Termin aus - trotz der Knochenbrüche und Gehirnerschütterungen, die sie selbst erlitten hatten. Insgesamt, betont Thorsten Fischer, habe sich längst gezeigt, was die ungünstigste Belastung in einer Schwangerschaft ist: langes Stehen.