Süddeutsche Zeitung

Medizin:Impfen ist nichts für die Apotheke

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Gesundheitsminister Spahn schlägt vor, Menschen in Apotheken impfen zu lassen. Das ist weder vernünftig noch der Gesundheit der Bevölkerung zuträglich.

Kommentar von Werner Bartens

Jens Spahn hat es schon wieder getan. Mit geradezu hyperaktiver Taktung bläst der agile Gesundheitsminister immer neue Vorschläge und Initiativen in die Öffentlichkeit, um damit Ärzte und Apotheker, Patienten und Gesunde wahlweise aufzuschrecken oder zu besänftigen. Er folgt dem Motto des Chirurgen aus dem Ärztewitz, der während der Entenjagd wahllos ins Gebüsch ballert und anschließend den Pathologen auffordert, nachzusehen, ob eine Ente dabei war. Für Spahn scheint zu gelten: Hauptsache Aufmerksamkeit, Schlagzeilen und Debatten, irgendwer wird sich schon getroffen fühlen - und vielleicht ist irgendwann sogar ein Glückstreffer dabei.

Mit seinem Vorschlag, künftig Impfungen auch in Apotheken anzubieten, hat der CDU-Minister allerdings voll daneben gezielt. Damit will Spahn die Impfbereitschaft in der Bevölkerung erhöhen, was an sich ein lobenswertes Unterfangen ist. Die Grippe-Impfung, an der traditionell besonders wenig Menschen teilnehmen, soll der Beginn sein, sich auch bei Pharmazeuten impfen zu lassen.

Zu einer Impfung gehört mehr, als eine Substanz in einen Körper zu spritzen

Vernünftig ist das nicht und der Gesundheit der Bevölkerung auch nicht unbedingt zuträglich. Schließlich ist die Impfung mehr als nur ein Piks in den Arm, wie der scheidende Präsident der Bundesärztekammer, Frank Ulrich Montgomery, herausstellt. Der oberste deutsche Ärztefunktionär wurde in seiner Amtszeit zwar nie den Verdacht los, vor allem Lobbyist in eigener Sache zu sein und in zweiter Linie die Pfründen der Mediziner bewahren zu wollen. Aber in diesem Fall hat er vorbehaltlos recht.

Zu einer Impfung gehört mehr, als eine fremde Substanz in fremde Körper zu spritzen. Zuvor ist eine ausführliche Anamnese nötig, es geht darum, Vorerkrankungen zu eruieren und aktuelle Infekte auszuschließen. Zudem ist es wichtig, Patienten aufzuklären und die zwar seltenen, aber möglichen Unverträglichkeiten und allergischen Reaktionen behandeln zu können. Das sind alles originär ärztliche Aufgaben, für die Apotheker nun mal nicht ausgebildet sind. Auch die Verkaufsstube einer Apotheke, in der schniefende Patienten nach Hustensaft fragen, ist wahrlich nicht der angemessene Ort für eine Impfung.

Wer gegen Infekte Mittel mit unbewiesener Wirkung - wie etwa Umckaloabo, Vitaminzusätze oder homöopathische Kügelchen - anbietet, der sollte zudem nicht in letzter Instanz für die Gesundheit der Menschen verantwortlich sein. Dafür braucht es eine medizinische Ausbildung und Zeit, aber kein Verkaufsinteresse. Insofern sollte Spahns Vorstoß ein Blindgänger bleiben. Würde er Ärzten die Honorare für Aufklärung und Beratung erhöhen, statt sie mit unnötigen Aufgaben und Zusatzsprechstunden zu behelligen, das wäre endlich ein Volltreffer.

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Quelle:
SZ vom 01.06.2019
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