Hautkrebs:Sorge um die Generation Sunburner

Territorialverhalten am Pool

Ausgedehnte Sonnbäder können sich noch Jahrehnte später rächen.

(Foto: Ralf Hirschberger/dpa)

Sonnenbrände in der Kindheit sind besonders gefährlich: Krebsforschern wird mehr und mehr klar, was genau die Sonnenstrahlung in der menschlichen Haut anrichtet. Die neuen Erkenntnisse verstärken die Furcht, dass die große Hautkrebswelle noch bevorsteht.

Von Kathrin Zinkant

Das Armband mit seinem grellbunten Plastik sieht ein wenig aus wie eine Kinderuhr. Aber um Eleganz geht es bei dem Ding auch gar nicht. Der "UVA+B SunFriend" soll nicht einmal die Zeit messen, sondern lediglich das Sonnenlicht. Ziel des 50 Dollar teuren Gadgets ist, die Haut des Besitzers vor einer Überdosis ultravioletter Strahlung zu schützen.

Das Licht unseres Zentralgestirns hat schon lange kein gutes Image mehr. Es gilt als aggressiv, weil der langwelligere Teil der UV-Strahlen das Bindegewebe schädigt, also alt macht. Der kurzwellige UV-B-Anteil kann zudem Krebs verursachen und tut dies auch in wachsendem Ausmaß. Die Zahl der Hautkrebsdiagnosen hat laut Barmer GEK in den vergangenen sieben Jahren um 70 bis 100 Prozent zugenommen. Auch das Bundesamt für Strahlenschutz zitiert die Ziffern zu schwarzem und weißem Hautkrebs, ohne allerdings auf die Ursachen detailliert einzugehen.

Und die sind so einfach nicht. Klar ist, dass ein wesentlicher Teil dieser numerischen Zunahme auf die Früherkennung zurückzuführen ist, durch die immer mehr, auch kleinere Hautveränderungen erkannt und somit auch statistisch registriert werden. Dazu kommen allerdings die Jahrgänge der Sunburner, jener Bürger also, die in den Siebzigern und Achtzigern jung waren. Wo heute der mit weißem Titanoxid getünchte Nachwuchs unter Sonnensegeln im Sand spielt, buddelten früher krebsrote Kleinkinder in der prallen Mittagssonne herum. Experten sind inzwischen überzeugt davon, dass solche Kindheitserfahrungen der Haut unvergessen bleiben. Heute, Jahrzehnte nach den vielen kühlenden Waschlappen auf verbrannten Kinderrücken, verlangen sie ihren Tribut.

"Die eigentliche Welle von Melanomen steht uns noch bevor", sagt Thomas Tüting von der Universitätsklinik in Bonn. Der Dermatologe gehört zu einem internationalen Feld von Forschern, die gerade dabei sind, die Entstehung von schwarzem Hautkrebs überhaupt erst zu verstehen. So war lange Zeit auch unter Fachleuten umstritten, ob UV-Strahlung wirklich maßgeblich an der Entstehung von Melanomen beteiligt ist. Einige Studien hatten Hinweise darauf geliefert, dass eine chronische UV-Bestrahlung eher mit gutartigen Hautveränderungen einhergeht als mit dem gefürchteten schwarzen Hautkrebs.

Erst vor wenigen Wochen stellten Wissenschaftler aus Großbritannien und Deutschland Studien vor, die solche Zweifel an der UV-Hypothese auszuräumen scheinen. Demnach zeigen Tierversuche, dass zwei Mechanismen zum gefürchteten Krebs führen können. Bei erwachsenen Versuchstieren konnten die Forscher nachweisen, dass die unmittelbar in den Hautzellen entstehenden Krebsmutationen eine direkte Folge der UV-Strahlung sind. Das ließ sich mithilfe einer umfassenden Sequenzierung des Krebs-Erbguts zeigen. "Die heute möglichen Verfahren haben unsere Erkenntnisse hier massiv erweitert", sagt Tüting.

Seine Forschergruppe in Bonn hat einen weiteren Mechanismus gefunden, der vor allem in jungen Jahren zum Tragen kommt. Abgesehen von UV-Schäden in der DNA ist es nämlich der Sonnenbrand selbst, der einzelne entartete Pigmentzellen der Haut mobilisiert. Die Entzündungsreaktion lässt die Krebszellen entlang der Blutgefäße in andere Hautareale vagabundieren. Offenbar werden durch den Sonnenbrand Programme reaktiviert, die in der Embryonalentwicklung noch dafür gesorgt haben, dass die Zellen sich an ihren vorgesehenen Platz in der Haut begeben. Jetzt laufen sie in die verkehrte Richtung. Und je früher diese Prozesse umgekehrt werden, desto eher kann es später zu Tochtergeschwüren im Körper kommen. Auch Tüting warnt deshalb davor, Kinder, die vermeintlich viel zu jung für Krebs sind, sorglos in die Sonne zu schicken. Vorsicht gelte aber auch für jeden Erwachsenen. "Jeder Sonnenbrand ist gefährlich", sagt der Experte.

Zugleich ist er guten Mutes, dass der von ihm vorhergesagten Welle von Melanomen recht bald neue Therapien entgegengesetzt werden können. Vor allem Therapien, die das Immunsystem dazu anregen, gegen Krebszellen vorzugehen, hätten sich zuletzt als vielversprechend erwiesen, berichtet Tüting. Der Forscher hofft zudem darauf, den beteiligten Entzündungsprozessen Einhalt gebieten zu können. "Wir wollen in die Signalwege eingreifen und die Krebszellen daran hindern, sich im Körper auszubreiten."

Theoretisch bieten Sonnencremes guten Schutz. Aber kaum jemand benutzt sie richtig

Wichtig bleibt derweil aber die Vorsorge, auch wenn die Sonne Daheimgebliebene derzeit nicht gerade mit ihrer Kraft beeindruckt. Aber selbst im wetterunbeständigen Deutschland warnen Experten umso beständiger davor, natürliches UV-Licht zu unterschätzen.

Das Bundesamt für Strahlenschutz hat sogar einen kleinen Zeichentrickfilm veröffentlicht, der zu einem besonders achtsamen Umgang mit der Sonne aufruft, selbst dann, wenn der sogenannte UV-Index nur drei auf der nach oben offenen Skala erreicht. Ab drei wird Sonnenschutz empfohlen. Derzeit liegen die Werte in Deutschland trotz der häufigen Bewölkung immerhin zwischen fünf und sieben. An einem Hochsommertag steigt der Wert meist auf etwa acht, hier raten Strahlenexperten bereits davon ab, sich überhaupt in die Sonne zu begeben. Und wenn, dann bitte nur geschützt.

Was aber verstehen Fachleute unter "Schutz"? Die am seltensten befolgte Regel dürfte jene sein, es in der Mittagszeit allen Südeuropäern gleichzutun und sich bis zum Abklingen der Strahlung am späten Nachmittag nicht bloß in den Schatten, sondern ins Haus zurückzuziehen. Der Kern des besten Schutzes heißt also Vermeidung. Auf dem zweiten Platz folgen lange Kleidung, Hüte und Sonnenbrillen. Auch hier gibt es Vorbilder aus südlichen Gefilden, die gerade in der prallen Sonne möglichst wenig Haut unbedeckt lassen. Experten nennen zum Beispiel die Tuareg, die sich nicht grundlos in üppige Gewänder hüllen und ihre Köpfe bedecken.

Tatsächlich stehen Sonnencremes erst an letzter Stelle. Fast selbstverständlich sind sie heute mit Lichtschutzfaktoren von bis zu 50+ erhältlich und suggerieren den Verbrauchern, einmal eingeschmiert seien unbegrenzte Aufenthalte in der prallen Sonne möglich. Rein theoretisch ist das auch so. Studien haben aber schon mehrmals gezeigt, dass die Wirksamkeit der Cremes, Sprays und Gele in der Praxis untergraben wird. Menschen cremen den Körper zu spät, zu selten und oft nicht vollständig ein, vergessen Ohren oder Scheitel. Schuld daran ist, wie so oft, die fehlende Information über die Funktionsweise und Haltbarkeit der Mittel. Einmal ins Wasser, einmal abgetrocknet, schon verdient der Sonnenschutz seinen Namen nicht mehr.

Hautärzte scheinen an diesen Wissenslücken einen Anteil zu haben. Wie Forscher aus den USA kürzlich darlegten, klären zumindest die Dermatologen in den Vereinigten Staaten ihre Patienten nicht ausreichend über die Notwendigkeit und die korrekte Anwendung von Sonnenschutzmitteln auf. Wie es in deutschen Hautarztpraxen aussieht, ist nicht bekannt, doch letztlich scheint die beste Strategie noch immer jene zu sein, die man aus dem Urlaub kennt: Mittags erst mal Siesta halten. Die Haut sagt Danke.

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