Use it or lose it - also benutzen oder verlieren. Dieses Motto ist unter Ärzten beliebt, um zu beschreiben, dass bei regelmäßigem Gebrauch die Funktion am besten erhalten bleibt und nicht so schnell Einschränkungen drohen. Das gilt für Muskeln, damit sie nicht verkümmern, genauso wie für das Gehirn, das mit Denkaufgaben aktiv bleiben soll, und auch für die regelmäßige Auslastung des Herzkreislaufsystems, um fit zu bleiben. Offenbar lässt sich das Phänomen auch auf Menschen übertragen, die viel sitzen. Ärzte der Columbia University in New York und der University of Central Florida in Orlando beschreiben im Journal of the American Heart Association, dass Sitzen nicht gleich Sitzen ist. Es macht demnach einen großen Unterschied für Herz und Gefäße, ob die Menschen während der Arbeit sitzen oder vor dem Fernseher - auch wenn sie bei beiden Tätigkeiten auf die gleiche Gesamtzahl sesshafter Stunden kommen.
In der Studie wurden mehr als 3500 Freiwillige achteinhalb Jahre lang beobachtet. Dabei zeigte sich, dass die Probanden, die mindestens vier Stunden täglich vor dem Fernseher zubrachten, ein um die Hälfte höheres Risiko für Herzkreislaufleiden hatten als jene, die auf weniger als zwei Stunden täglich kamen. Im Gegensatz dazu unterschied sich das kardiovaskuläre Risiko kaum zwischen denen, die während der Arbeit besonders viel oder besonders wenig saßen.
"Wahrscheinlich neigen Menschen dazu, sich vor dem Fernseher stundenlang gar nicht zu bewegen"
"Wenn es um die Herzgesundheit geht, kommt es anscheinend mehr darauf an, wie man seine Freizeit verbringt", sagt der Verhaltensmediziner Keith Diaz, der an der Studie beteiligt war. "Sogar wenn man einen Job hat, bei dem man über lange Zeit sitzen muss, wird das Herzkreislaufrisiko verringert, sofern man zu Hause nicht nur rumsitzt, sondern sich auch bewegt." Mit mindestens 150 Minuten mäßiger körperlicher Aktivität pro Woche lassen sich die Risiken durch langes Sitzen wieder ausgleichen - use it or lose it.
Die Forscher gingen auch der Frage nach, warum sich die Folgen für die Gesundheit je nach Art des Sitzplatzes unterscheiden. "Wahrscheinlich neigen Menschen dazu, sich vor dem Fernseher stundenlang gar nicht zu bewegen", sagt Jeannette Garcia, die Leiterin der Studie. "Während der Arbeit ist es hingegen nötig, gelegentlich aufzustehen und ein paar Schritte zu gehen, sei es zum Kopierer, um mit Kollegen zu reden oder ins Meeting. Es sind eben keine Stunden ununterbrochenen Sitzens, auch wenn das vielen so vorkommt." Auch der langweiligste Bürojob erfordert ein Minimum an Bewegung. "Die Kombination einer schweren Abendmahlzeit mit anschließendem langen Sitzen könnte besonders schädlich sein", sagt Garcia. Zudem naschen viele Menschen währenddessen ungesunde Sachen.
Die Fernsehzeit für einen Gang um den Block zu unterbrechen, dabei intensiver zu atmen und das Herz schneller schlagen zu lassen, könnte die schädlichen Auswirkungen des Sitzens abmildern. Interessant wäre, aktive Zuschauer zu untersuchen. Schließlich gibt es Menschen vor dem Fernseher - etwa bei Fußballübertragungen -, die ständig aufspringen, herumfuchteln und außer Atem kommen. Ob die Bewegung ihnen nutzt oder die Aufregung ihnen schadet, sollten Ärzte dringend klären.