Süddeutsche Zeitung

Rauchen:Prekäre Luft in der Shisha-Bar

Lesezeit: 2 min

Immer wieder müssen Rettungsdienste zu Shisha-Bars ausrücken: Die Wasserpfeifen geben deutlich mehr Schadstoffe ab als Zigaretten.

Von Gunnar Römer

Ein Abend in einer Shisha-Bar kann in den Lungen bis zu 25 Mal so viel Teer hinterlassen, wie der Rauch einer normalen Zigarette. Beim Nikotingehalt übertrifft die Wasserpfeife die Zigarette noch um das Zweieinhalbfache, die Menge an eingeatmetem Kohlenmonoxid liegt zehnmal so hoch. Zu diesen Zahlen kommen der Gesundheitswissenschaftler Brian Primack von der Pittsburgh School of Medicine und seine Kollegen nach der Auswertung von 17 Studien über das Tabakrauchen, die sie im Fachjournal Public Health Reports veröffentlicht haben. "Viele Nutzer betrachten Wasserpfeifen als sichere Alternative zur Zigarette", schreiben die Forscher. "Unsere Berechnungen zeigen, dass sie hohen Giftmengen ausgesetzt sind."

Der Verkauf von Pfeifen- und Shishatabak stieg 2015 in Deutschland im Vergleich zum Vorjahr um 27,5 Prozent. Eine große Gefahr sieht Wolfram Windisch, Chefarzt der Abteilung Pneumologie am Klinikum Köln-Mehrheim, in der großen Zahl noch unbekannter Verbindungen im Qualm. "Von den geschätzten 4 000 Inhaltsstoffen weiß man bislang nur über die wenigsten genau Bescheid. Keiner kann heute sagen, welche Gifte da noch so drin schlummern", warnt der Lungenfacharzt.

Rund 200 der enthaltenen Chemikalien gelten als toxisch, bei 70 ist eine krebserregende Wirkung nachgewiesen. Ein weiteres Problem: "Physikalisch betrachtet entsteht bei der Shisha kein Rauch, sondern Dampf. Dieser wird oft intuitiv als weniger schädlich angesehen", erklärt Windisch. In Wasserpfeifen wird der Tabak nicht verbrannt, sondern durch glühende Kohle nur zum Schwelen gebracht.

Kaum bekannt ist die Gesundheitsgefährdung durch die Befeuchtungsmittel, die dem Shisha-Tabak erst die richtige Konsistenz geben. Im Gegensatz zu Zigarette, Zigarre und gewöhnlicher Pfeife entwickelt der Shisha-Tabak nur beim richtigen Feuchtigkeitsgrad genügend Rauch. Zur Anwendung kommen Glycerin und Propylenglycol; bis zu fünf Prozent dürfen laut Deutscher Tabakverordnung enthalten sein. In den Ländern des arabischen Raumes werden bis zu 20 Prozent beigemengt. Die chemischen Aromastoffe wie beispielsweise Banane oder Mango tragen zusätzlich zur Gesamtschädlichkeit der Wasserpfeife bei.

Der Körper kapituliert in der schadstoffgetränkten Umgebung

Gefährlich ist auch das Kohlenmonoxid, das dabei entsteht. Es bindet 300-mal stärker an den roten Blutfarbstoff Hämoglobin als Sauerstoff. Damit nimmt es dem lebenswichtigen Atemgas den Platz in diesem Transportmolekül weg. Einmal an die roten Blutkörperchen gebunden verbleibt es für deren Lebensdauer von rund 120 Tagen dort. Bei schweren Vergiftungen hilft nur die Therapie in einer Sauerstoffdruckkammer, die aber längst nicht jede Stadt in Deutschland verfügbar ist.

"Ein großes Gefahrenpotenzial birgt schon der regelmäßige Aufenthalt in einer Shisha-Bar", sagt Windisch. Für Kleinkinder würde in einer solchen Umgebung schnell Lebensgefahr bestehen. Immer wieder müssen auch Rettungsdienste zu Shisha-Bars ausrücken. "Menschen brechen einfach bewusstlos zusammen", sagt Windisch. Ihr Körper kapituliert in der schadstoffgetränkten Luft.

Ob die Shisha insgesamt gefährlicher oder harmloser als die Zigarette ist, lässt sich nicht zweifelsfrei klären. "Dafür sind noch zu viele Inhaltsstoffe unbekannt", so Primack. Klar ist: Der Genuss ist äußerst schädlich. Zwar greifen Raucher viel öfter zur Zigarette als zur Wasserpfeife. Der höhere Schadstoffanteil und die längere Rauchzeit dürften diesen Vorteil aber wieder zunichte machen.

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SZ vom 09.02.2016
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