Seuchen:Gelbfieber-Ausbruch in Angola: "Das ist eine tickende Zeitbombe"

Seuchen: Ein Gelbfieber-Patient in Darfur, Sudan.

Ein Gelbfieber-Patient in Darfur, Sudan.

(Foto: Albert Gonzalez Farran/AFP)

In Luanda sind seit Anfang des Jahres Hunderte Menschen an Gelbfieber erkrankt. Jetzt wird der Impfstoff knapp - und die WHO fürchtet eine Ausbreitung nach Asien.

Von Kai Kupferschmidt

Es war nur eine kurze Nachricht, doch sie reichte aus, um Jack Woodall den Schlaf zu rauben: Sieben Menschen in Luanda, der Hauptstadt Angolas, seien an Gelbfieber gestorben, meldete die Presseagentur des afrikanischen Landes. Das war am 22. Januar. Woodall ist Virusforscher und einer der Gründer von ProMed, einer Mailingliste von Forschern und Ärzten, die Krankheitsausbrüche auf der ganzen Welt beobachten. Er sieht jeden Tag zig Meldungen über Kranke und Tote aus aller Welt. Aber wenn Gelbfieberfälle in einer Großstadt auftauchen, sei das immer ein Alarmsignal, sagt er. Wenige Tage später schrieb Woodall auf der ProMed-Webseite: "Es sieht so aus, als habe ein städtischer Gelbfieber-Ausbruch von internationaler Bedeutung begonnen."

Zwei Monate später haben sich seine Befürchtungen bestätigt. Laut Weltgesundheitsorganisation WHO gibt es inzwischen mehr als 1400 Verdachtsfälle. 490 sind im Labor bestätigt worden, 198 Patienten sind gestorben. Die wirklichen Zahlen könnten zehnmal höher liegen, sagen Experten. Die WHO hat zwar Anfang Februar eine Impfaktion begonnen und ein Großteil der acht Millionen Menschen in Luanda ist geimpft worden. Doch das Virus hat sich bereits auf andere Teile Angolas ausgedehnt und die internationale Notfallreserve von sechs Millionen Impfstoffdosen ist aufgebraucht. Vor allem eine Ausbreitung nach Asien würde eine Katastrophe sein, sagt Woodall. "Ich bin kein Alarmist. Aber das macht mir panische Angst."

Wegen der vielen Opfer der Krankheit wurde einst der Bau des Panamakanals gestoppt

Gelbfieber ist eine hinterhältige Krankheit. Menschen, die sich infizieren, leiden häufig unter Fieber, Kopfschmerzen, Übelkeit. Nach ein paar Tagen klingen die Symptome in der Regel ab. Doch bei etwa 15 Prozent ist das nur der Auftakt für eine zweite, schlimmere Phase. Das Fieber kommt zurück, dann die Übelkeit. Überschwemmt mit Viren schafft es die Leber nicht mehr, den gelben Farbstoff Bilirubin, ein Abbauprodukt des Hämoglobins, auszuscheiden. Die Augen färben sich gelb, dann die Haut. Die Patienten beginnen häufig aus Augen, Mund und Nase zu bluten. Jeder Zweite, der diese toxische Phase erlebt, stirbt. Ein Heilmittel gibt es nicht.

Das Virus wird von Mücken der Art Aedes aegypti übertragen - wie Zika und Dengue auch. Die meisten Menschen infizieren sich in oder nahe dem Dschungel. Denn der Erreger kommt vor allem in Affen vor. Gelegentlich infiziert eine Mücke dann einen Menschen. Doch wenn das Virus in eine Stadt gelangt, übertragen die Mücken die Krankheit von einem Menschen auf den nächsten. "Das kann zu einer regelrechten Explosion von Fällen führen", sagt William Perea von der WHO.

Darum führt häufig schon ein einziger Gelbfieberfall in einer Stadt zum Seuchenalarm. Entsprechend schnell hat die WHO reagiert. In Fußballstadien und auf Märkten sind in den vergangenen Wochen Millionen Menschen geimpft worden. Am Montag ist WHO-Generaldirektorin Margaret Chan in Angola gelandet, um sich ein Bild von der Situation zu machen und den Präsidenten zu treffen.

Impfstoff-Herstellung wie vor 80 Jahren

Ansonsten hat der Ausbruch bisher wenig Aufmerksamkeit erregt, auch weil Gelbfieber vielen im Westen kaum noch etwas sagt. Dabei galt die Krankheit im 18. und im 19. Jahrhundert als eine der größten Geißeln der Menschheit. Das Virus gelangte mit dem Sklavenhandel von Afrika nach Amerika und wütete dort in vielen Städten. 1793 brach es in Philadelphia aus, damals die Hauptstadt der USA. Von 50 000 Einwohnern starben 5000. Mindestens 15 000 Menschen, darunter George Washington, flohen aus der Stadt. 1878 starben etwa 20 000 Menschen bei einem Ausbruch entlang des Mississippi. Wenige Jahre später führten unzählige Gelbfieber-Tote dazu, dass Frankreich seinen Versuch, den Panamakanal zu bauen, aufgeben musste.

Heute kommt die Krankheit fast nur noch in Afrika vor. Nach einer Studie aus dem Jahr 2014 sterben dort jedes Jahr fast 80 000 Menschen an Gelbfieber. Viele Experten halten diese Schätzung allerdings für deutlich zu hoch.

Doch warum sterben überhaupt noch Menschen an Gelbfieber? Schließlich gibt es einen Impfstoff, der ein Leben lang schützt. Und das seit 1938. Im Pasteur-Institut in Dakar befindet sich eine von nur vier Fabriken weltweit, die Gelbfieber-Impfstoff herstellen.

Durch eine Glasscheibe sind die Rücken von drei Arbeitern zu sehen, die nebeneinander sitzen. Sie tragen blaue Laborkittel, die sie von Kopf bis Fuß bedecken und eine Schutzbrille über den Augen. In einer Ecke des Raumes sind Paletten mit Hühnereiern gestapelt. Der Arbeiter ganz links schneidet die Spitzen der Eier ab und gibt die Eier dann dem nächsten. Der fischt mit einer Pinzette die Embryos heraus und lässt sie in einen größeren Behälter fallen. Sobald etwa 150 Embryos darin enthalten sind, gibt er den Behälter an den letzten in der Reihe weiter. Der füllt ihn mit Flüssigkeit auf und zerhäckselt das Gemisch in einem Mixer. Die rote Brühe die dabei entsteht, ist voll mit abgeschwächten Gelbfieberviren.

"Ernten" nennt sich das und es ist nur ein kleiner Schritt auf dem Weg zum fertigen Impfstoff. An dem mühsamen Prozess hat sich in fast 80 Jahren wenig geändert. Neben dem Pasteur-Institut stellen staatliche Institute in Brasilien und Russland den Impfstoff her. Sanofi Pasteur in Frankreich ist die einzige Pharmafirma. Der Prozess ist kompliziert, allein die Beschaffung von Millionen Eiern ist eine Herausforderung. Und der Markt, hauptsächlich arme Menschen im südlichen Afrika, ist wenig attraktiv. "Mit diesem Impfstoff lässt sich kein großes Geld verdienen", sagt Nathalie Robineau, die die Impfstoffherstellung in Dakar leitet.

Weltweit werden jedes Jahr etwa 80 Millionen Dosen hergestellt. Benötigt würden mehr als 100 Millionen, schätzen Experten. In vielen Ländern wurde in den vergangenen Jahren eine Routine-Immunisierung kleiner Kinder gegen Gelbfieber eingeführt. Zugleich laufen Impfkampagnen, um in einem Land nach dem anderen auch die Erwachsenen zu schützen. Um für Notfälle vorbereitet zu sein, wurden außerdem sechs Millionen Dosen eingelagert.

Fälle wurden bereits nach China eingeschleppt

Doch die sind wegen des Ausbruchs in Angola aufgebraucht. Die WHO versucht nun, Impfstoff in das Land umzuleiten, der anderswo für Kampagnen vorgesehen war. "Das ist gerade eine sehr schwierige Situation", sagt Melissa Malhame von der Impfstoff-Allianz Gavi. "Der Ausbruch ist einfach größer als man sich vorgestellt hat, als der Impfstoff eingelagert wurde." Angola hat noch knapp eine Million Impfstoffdosen bereitliegen, das reicht gerade für den Rest der Hauptstadt. Es könnte zehn Wochen dauern, bis mehr Impfstoff zur Verfügung steht, sagt Woodall. Schon jetzt ist die Krankheit in Angola in zwölf von 18 Provinzen aufgetaucht.

Reisende haben das Virus außerdem nach Kenia, Mauretanien, China und in die Demokratische Republik Kongo getragen. "Theoretisch könnte die Krankheit sich überall ausbreiten, wo Gelbfiebermücken vorkommen", sagt der Mückenforscher Paul Reiter, der lange am Pasteur-Institut in Paris gearbeitet hat. In Europa sei das vor allem am Schwarzen Meer, heißt es in einer Risikoanalyse der europäischen Seuchenschutzbehörde ECDC. Mehr Sorgen macht Forschern aber Asien.

Obwohl Gelbfiebermücken in weiten Teilen des Kontinents vorkommen, hat die Krankheit dort nie Fuß gefasst. "Niemand versteht genau warum", sagt Perea. Doch dass es bisher nicht passiert sei, bedeute nicht, dass es nicht passieren könne. In den letzten Wochen sind in China sechs Reisende aus Angola angekommen, die an Gelbfieber erkrankt waren. Die meisten landeten in Peking. So weit nördlich kommt die Gelbfiebermücke nicht vor. Sollten in den nächsten Monaten aber mehr Infizierte im südlichen China landen, könnte es zu einem Ausbruch kommen, warnt Perea. Der Erreger hätte es leicht, weil es fast keine Menschen dort gibt, die immun sind.

Selbst wenn der Ausbruch in Angola durch die massive Impfaktion rechtzeitig eingegrenzt werden kann, sollte die Epidemie der WHO zu denken geben. "Die meisten Experten stimmen überein, dass die Gefahr eines unbeherrschbaren Gelbfieberausbruchs real ist", sagt Reiter. "Das ist eine tickende Zeitbombe."

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