Süddeutsche Zeitung

Gesundheit:Auch unsportliche Senioren können Muskeln aufbauen

Lesezeit: 2 min

Von Tobias Herrmann

Diese Nachricht sollte ältere Couch-Potatoes motivieren: Auch im hohen Alter können Männer, die in ihrem bisherigen Leben nur wenig Sport betrieben haben, Muskeln aufbauen - und zwar genauso gut wie jene, die sich regelmäßig sportlich betätigten. Das berichtet ein Forscherteam um Leigh Breen von der britischen University of Birmingham im Fachjournal Frontiers in Physiology.

In der Studie verglichen die Wissenschaftler bei zwei Gruppen älterer Männer die Fähigkeit, Muskeln aufzubauen. In der ersten Gruppe tummelten sich die durchtrainierten Topathleten, die ihr Leben lang Sport getrieben haben und auch mit 70 oder gar 80 Jahren nicht davor zurückschrecken, sich sportlich mit anderen zu messen. Die zweite Gruppe umfasste Männer ähnlichen Alters, die allerdings nie irgendwelche Trainingsprogramme befolgten und daher eine mangelnde körperliche Fitness aufwiesen.

Auch Gartenarbeit und Treppensteigen zählen schon als Training

Anschließend hieß es für die Probanden: trainieren. In drei Einheiten, die jeweils 48 Stunden voneinander getrennt waren, sollten die Senioren Gewichte stemmen oder verschiedene Work-outs an Kraftstationen machen. Unmittelbar vor und nach jeder Trainingseinheit entnahmen die Wissenschaftler den Versuchsteilnehmern kleine Gewebeproben aus dem Oberschenkelmuskel mittels Biopsie und untersuchten, wie die Muskelzellen auf die Sportübungen reagiert hatten. Zu diesem Zweck ließen die Forscher die Senioren vor der ersten Trainingseinheit sogenanntes "schweres Wasser" trinken. Dabei handelt es sich um Wasser, bei dem die Wasserstoffatome (H) des H₂O-Moleküls mit dem Isotop Deuterium, auch als "schwerer Wasserstoff" bekannt, ausgetauscht wurden. Das Deuterium fungiert als Kontrastmittel im Körper, sodass die Wissenschaftler analysieren konnten, ob sich in den Muskeln Proteine gebildet hatten.

Das Ergebnis: Bei beiden Versuchsgruppen war die Menge an aufgebauten Muskeln ungefähr gleich. Das kam für Studienleiter Leigh Breen und seine Kollegen überraschend. Es war eigentlich zu erwarten, dass die körperlich fitten Athleten einen Vorteil haben und leichter Muskeln aufbauen können. Stattdessen zeigten beide Gruppen einen ähnlichen Muskelzuwachs in Folge der Work-outs.

"Unsere Studie zeigt deutlich, dass es keinen Unterschied macht, ob jemand in seinem Leben regelmäßig Sport gemacht hat oder nicht - auch in hohem Alter lohnt es sich noch, damit anzufangen", sagt Breen in einer Mitteilung der Universität, schränkt jedoch ein, der beste Weg zu einer ganzheitlichen körperlichen Fitness sei natürlich ein "langfristiges und konstantes Training, Disziplin und Hingabe". Dennoch profitieren auch Späteinsteiger. So verzögere jede Art von Training altersbedingte körperliche Beschwerden und Muskelschwächen, sagt Breen. Außerdem müsse dafür keiner zwingend ins Fitnessstudio gehen. Es könne stattdessen ausreichend sein, Alltagstätigkeiten wie Gartenarbeit, Treppensteigen oder das Tragen von Einkaufstaschen als Trainingseinheit zu begreifen.

Bei genauer Betrachtung der Studie fallen aber auch einige Schwächen auf. Mit lediglich 15 Probanden - acht untrainierten, sieben trainierten Athleten - ist die Teilnehmerzahl sehr klein und die Aussagekraft der Studie dementsprechend beschränkt. Zudem waren die Teilnehmer allesamt männlich. Um ein besseres Grundverständnis darüber zu erlangen, wie Muskeln auch im hohen Alter aufgebaut werden können, müssten ähnliche Studien auch mit Frauen und mit einer viel größeren Probandengruppe durchgeführt werden.

Anmerkung: In einer früheren Version des Artikels hieß es, Deuterium sei radioaktiv. Dem ist nicht so. Der Fehler wurde korrigiert.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4581592
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 02.09.2019
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.