Xenotransplantation:Schweineherz schlägt seit einem Monat in Männerbrust

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Einem an einer lebensgefährlichen Herzkrankheit leidenden Mann war Anfang Januar ein genetisch verändertes Tierorgan eingesetzt worden. (Foto: Tom Jemski/dpa)

Ein tierisches Herz wurde einem Menschen eingepflanzt. Dem Patienten geht es auch einen Monat später noch immer gut, meldet die Klinik. Als "Riesenerfolg" bezeichnen Fachleute diesen Eingriff.

Von dpa

Am 7. Januar war erstmals einem Mann in den USA das Herz eines Schweines transplantiert worden. Bisher sieht es gut für ihn aus - nach Angaben der Universität Maryland von Sonntagmorgen geht es dem 57-jährigen David Bennett auch einen Monat nach dem aufsehenerregenden Eingriff den Umständen entsprechend gut. Doch die OP ist wissenschaftliches Neuland. Es besteht das Risiko, dass sich die Situation verschlechtert.

"Die lange Überlebenszeit von einem Monat ist ein Riesenerfolg für die Xenotransplantation, vor allem wenn man bedenkt, dass die erste Herztransplantation von Mensch zu Mensch in Deutschland nicht einmal 24 Stunden anhielt", erklärt Joachim Denner, Transplantationsexperte von der Freien Universität Berlin. Dem University of Maryland Medical Center in Baltimore zufolge, wo die Operation Anfang Januar stattfand, gibt es bislang keine Zeichen der Abstoßung bei Bennett. Er sei wach, ansprechbar und frage medizinisches Personal danach, wann er nach Hause gehen dürfe.

Dies allerdings dürfte nicht so bald passieren, denn Bennett muss in der Klinik rund um die Uhr beobachtet werden. Die größte Gefahr ist, dass doch eine Abstoßung des Körpers stattfindet, sagt Denner. "Das Immunsystem braucht ja eine gewisse Zeit, ehe es eine Immunantwort aufbaut. Im Moment werden erst die Antikörper und Immunzellen gebildet, die in der Lage wären, das Organ abzustoßen." Die medizinische Meisterleistung der Wissenschaftler in den USA lag dabei darin, die verschiedenen Mechanismen des menschlichen Körpers, die zu einer Abstoßung führen könnten, von vornherein zu umgehen oder anderweitig auszuhebeln. Damit ihre Organe für den Menschen verwendet werden können, muss das Erbgut der Spendertiere verändert werden.

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Im Fall aus den USA seien zehn genetische Modifikationen vorgenommen worden. Dabei geht es unter anderem um bestimmte Zuckerstrukturen auf der Oberfläche von Schweinezellen, gegen die der Mensch von Natur aus Antikörper hat. Zudem gibt es die Gefahr von Blutgerinnseln. Der Patient bekommt außerdem Medikamente zur Unterdrückung der Immunreaktion.

Transplantationen wie diese könnten eine Chance sein für Schwerkranke, die auf ein Ersatzorgan warten

Das Schwein für die Transplantation in Baltimore wurde von einer US-Firma gezüchtet. Die streng abgeriegelten und überwachten Ställe beherbergen heute nur einige wenige Schweine. Wenn aber weitere Fortschritte gemacht werden, könnte der Bedarf in den kommenden Jahren und Jahrzehnten stark ansteigen. Schließlich könnten auch andere Organe wie Nieren sowie Inselzellen, die Insulin produzieren, für Transplantationen genutzt werden.

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Was futuristisch klingt und viele Menschen womöglich auch abstößt, könnte einst eine Chance sein für viele Schwerstkranke, die auf ein Ersatzorgan warten. Dann könnten auch Patienten ein Ersatzherz bekommen, "die weit hinten auf der Warteliste stehen und nie eine Chance hätten, ein menschliches Organ zu bekommen", sagt Denner. Und das Schweineherz habe auch einen großen Vorteil, denn es sei virologisch bestens untersucht - und unter anderem garantiert frei von HIV, dem Tollwutvirus und anderen Erregern. "Wenn die Technologie weiterentwickelt ist, könnte es sein, dass es sogar besser ist, ein Schweineherz zu bekommen als ein Menschenherz", erklärt Denner. Die Grundlage für ähnliche Operationen wie in den USA sei auch in Deutschland geschaffen. Wann es aber zu einer ersten Transplantation kommen könnte, ist noch unklar.

Wie lange David Bennett leben wird, ist ebenfalls nicht abzusehen. Allerdings sollte man nicht erwarten, dass der schwerkranke Amerikaner jemals wieder einen normalen Alltag erleben kann. Nach Angaben seiner Ärzte macht er momentan Physiotherapie, um zumindest wieder auf die Beine zu kommen. Noch ist ans Gehen aber nicht zu denken. Doch sicher wäre dies ein weiterer Meilenstein, wenn nicht ein kleines Wunder.

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