Süddeutsche Zeitung

Gesundheit:Corona-Selbsttests endlich für alle

Die Zulassung von Corona-Selbsttests war überfällig. Sie werden bei der Bekämpfung der Seuche helfen.

Kommentar von Christina Berndt

Der Bundesgesundheitsminister hat es jetzt offiziell bestätigt: Menschen in Deutschland sind doch nicht so blöd, wie Politiker und Ärzte lange angenommen haben. Es ist ihnen zuzutrauen, sich auch ohne Studium und mehrjährige medizinische Ausbildung ein Wattestäbchen in die Nase zu stecken und das Ergebnis mit einem Testbaukasten auszuwerten. Seit ein paar Tagen dürfen Corona-Schnelltests in Deutschland nun endlich auch an Laien verkauft werden. Zugelassen ist zwar noch keiner, aber immerhin, ein wesentlicher Schritt ist erfolgt. Bisher hat die Politik es den Menschen schlicht nicht zugetraut, sich selbst zu testen und verantwortungsvoll mit dem Ergebnis umzugehen.

Dabei braucht es wirklich nicht viel, um einen Schnelltest ordentlich durchzuführen. Die Heidelberger Infektiologin Claudia Denkinger hat das schon im Dezember all jenen, die es immer noch nicht glauben wollten, in einer Studie gemeinsam mit der Charité bewiesen: Laien machen das, nachdem sie eine kurze Anleitung mit Skizzen studiert haben, genauso gut wie geschultes medizinisches Personal. Schon ihr dreieinhalbjähriger Sohn könne den Test machen, erzählte Denkinger.

Es ist schon richtig: Die Heim-Schnelltests können auch Probleme mit sich bringen. Wer sich selbst testet, entgeht der staatlichen Kontrolle, die Regierung könnte den Überblick über die Infektionszahlen verlieren. Auch müssen Menschen über wesentliche Knackpunkte informiert sein: Wie sie die Tests richtig anwenden. Welche Tests valide sind. Dass ein negativer Test keine Sicherheit bietet. Dass das Ergebnis nur bedeutet, dass man gerade nicht infektiös ist, aber durchaus infiziert sein kann. Dass der Test nur für den Tag gilt, an dem er gemacht wird. Und dass man sich bei einem positiven Ergebnis direkt in Quarantäne begeben muss. Das geht bestimmt auch ab und zu schief, weil Einzelne das Ergebnis missverstehen oder nicht verantwortungsvoll damit umgehen. Aber grundsätzlich werden Menschen das verstehen und beherzigen, wenn die Information dazu gut genug kommuniziert wird.

Menschen wachsen an dem Vertrauen, das in sie gesetzt wird

Dass Selbsttests in Deutschland trotzdem so lange verboten waren, ist ein Sinnbild für den Umgang der Regierung mit der Bevölkerung. Es erinnert nicht nur an die unsägliche Diskussion zu Beginn der Pandemie, als Ärzte und Politiker glaubten, der Normalbürger könne auch eine Maske nicht richtig tragen. Mehr Vertrauen in die Fähigkeiten der Menschen wäre von Anfang an eine bessere Strategie gewesen. Es verhindert nicht nur Trotz. Menschen wachsen in der Regel an dem Vertrauen, das in sie gesetzt wird. Zudem ist es ein so wichtiges Signal an jeden Einzelnen: Ich bin nicht nur Opfer in dieser Pandemie, ich kann auch selbst aktiv etwas tun. Es gibt den Menschen ein ungeheures Maß an Selbstwirksamkeit zurück, die Grundlage psychischer Gesundheit, die vielen gerade jetzt so fehlt.

Am Ende wird das ganze Land deshalb etwas davon haben, dass Ärzte und Politiker bei den Schnelltests jetzt doch auf Vertrauen setzen. Die Möglichkeit, sich ohne großen Umstand einfach selbst testen zu können, bevor man in die Arbeit fährt, die Oma besucht oder einen Freund trifft, wird ein effektives Werkzeug im Kampf gegen das Virus sein. Sie wird dazu führen, dass viel mehr Menschen ihre Infektion erkennen und weitere Ansteckungen verhindern. Weil sie es können. Und weil sie es wollen. Jedenfalls die allermeisten Menschen in diesem Land.

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